von Dr. Heike Steffen (E-Mail: hsteffen [at] uni-greifswald.de)

Einsatzbericht der DWLF-Gruppe, August 2017

„Zahnärzte ohne Grenzen“ (Dentists without limits foundation – DWLF) bietet die einzigartige Möglichkeit ferne Länder zu erkunden, fremde Kulturen kennenzulernen und gleichzeitig eine Verbesserung der zahnmedizinischen Gesundheit zu etablieren. Die Zielgruppen der DWLF sind die Bedürftigen einer jeden Gesellschaft, die keinen Zugang zu einer zahnärztlichen Basisversorgung haben oder ihn sich nicht leisten können.

So reisten wir mit zwei Zahnärztinnen und einer Helferin – alle bereits auslandserfahren – Anfang August nach Praia, der Hauptstadt der Kapverden, auf die Insel Santiago, mit 46 kg Gepäck, jede Menge Zahnbürsten und –pasten sowie diverse Materialspenden von großzügigen Sponsoren.

Nach der Landung wurden wir von Elisabeth, der Assistentin des lokal verantwortlichen Zahnarztes, und einem Fahrer vom Flughafen abgeholt und nach dem Geldtausch zu unserer Unterkunft gebracht.

In Palmarejo, einem Stadtteil von Praia wohnt man in einem großzügigen Wohnhaus mit fünf Schlafzimmern, zwei Bädern, Wohnzimmer, Terrasse und großer Küche inklusive Waschmaschine. Geschirr, Bettwäsche und Handtücher sind ausreichend vorhanden. Die Selbstverpflegung ist preisgünstig und unproblematisch: in der Nähe sind mehrere Supermärkte und vor allem eine Padaria, wo man bis 22:00 Uhr leckeres frisches Brot, Brötchen oder auch Kuchen kaufen kann.

Am Tag nach der Ankunft wurden wir nach Achada Grande Tras, etwas außerhalb des Zentrums von Praia, gebracht. In dem lokalen Gesundheitszentrum bekamen wir ein großes, nahezu leeres Sprechzimmer mit Klimaanlage für die Behandlung zugeteilt, welches wir innerhalb von drei Stunden in eine Zahnarztpraxis mit zwei Behandlungseinheiten umfunktionierten.

Am Montag ging dann die Behandlung los. Der Busfahrer holte uns täglich gegen 7:30 Uhr von unserer Wohnung ab und nach Einsammeln aller Mitarbeiter kamen wir gegen 8:15 Uhr in der Klinik an, wo schon viele Patienten warteten. Die Patientenannahme wurde vom Klinikpersonal vor Ort organisiert: nur Patienten mit einem Berechtigungsschein durften unsere kostenfreie Behandlung in Anspruch nehmen, notfalls auch mehrfach in den zwei Wochen. Während der Arbeitszeit von ca. 08:30 Uhr bis 15 Uhr behandelten wir täglich zwischen ca. 25 und 35 Patienten. Um 15 Uhr war dann offiziell Feierabend in der Klinik: manchmal haben wir aufgrund des erhöhten Bedarfes auch länger gearbeitet, was dann den doch eher gemächlichen Alltag im Gesundheitszentrum etwas durcheinander brachte.

In der ca. 30 minütigen Mittagspause gab es frisch zubereitete Nationalgerichte, wie Cachupa oder Fisch. Eine vor Ort tätige, brasilianische Zahnärztin hat uns gelegentlich beim Absaugen o.ä. geholfen, da wir zwei Zahnärzte und nur eine Helferin waren. Dann hieß es: legen der Komposit-Füllungen mit Assistenz, die Extraktionen halt ohne. Letztendlich haben wir, auch aufgrund der technischen Probleme, einen Behandlungsstuhl für Extraktionen, den anderen für Füllungen genutzt. Eine Dolmetscherin gibt es nicht: wer kein Crioulo oder Portugiesisch spricht, hat keine Chancen auf ein Gespräch, selbst Englisch ist zur Verständigung nicht möglich. Ein Portugiesischkurs im Vorfeld ist daher anzuraten, jedenfalls für dort wo wir waren.

Die Sterilisation mussten wir selbst durchführen. Es kamen viele Frauen zur beliebten Limpeza (Zahnsteinentfernung), besonders aber für Frontzahnrestaurationen, denn auch wenn die Verhältnisse ärmlich sind, auf das Äußere wird viel Wert gelegt: die Patienten kommen sauber und aufgehübscht zur Behandlung. Der Mundgesundheitszustand der Bevölkerung ist erschreckend desolat: so hatten bereits Vierjährige ein komplett kariöses Milchgebiss oder Achtjährige bis auf das Gingivaniveau zerstörte, bleibende 6-Jahr-Molaren; ältere Patienten wiesen hingegen oft parodontale Probleme und Wurzelreste auf.

vorher

nachher

Unsere Hauptaufgabe bestand daher häufig aus Schadensbegrenzung, was sich in der Anzahl unserer durchgeführten Extraktionen widerspiegelte. Erstaunlicherweise waren trotz der eingeschränkten hygienischen Bedingungen so gut wie keine Komplikationen nach Extraktionen zu verzeichnen. Eine Stirnlampe oder Licht an der Lupenbrille ist unbedingt nötig für die Behandlung: die vorhandenen Stehlampen sind nutzlos. Für jeden Patienten gab es im Anschluss an die Behandlung eine Zahnbürste und Zahnpasta sowie kleine Geschenke wie z.B. Lese- oder Sonnenbrillen für die Erwachsenen oder Spielzeug für die Kinder. Die Patienten waren sehr dankbar und schenkten uns Obst und andere Kleinigkeiten.

Nach Arbeitsende haben wir den Caipirinha der Insel getestet, sind auf dem Markt gebummelt oder haben am lokalen Strand gebadet. Das Essen schmeckt sehr lecker, besonders die Tagesgerichte sind zu empfehlen und oft nur von zwei Personen zu bewältigen. Internet – kostenlos – gibt es ohne Probleme beim Cafe Sofia, nahe der Fußgängerzone.

Ein Problem ist das Verschicken von Postkarten: Briefmarken gibt es exklusive nur auf der Post und diese hat nur zu den Arbeitszeiten der Klinik geöffnet. Beeindruckend ist die Langsamkeit des Seins in der Post: „No Stress“, wenn man es denn schafft hinzukommen.

Am freien Wochenende lohnt es sich nach Assomada, zum sehenswerten Markt und dann weiter nach Tarrafal zu fahren, zum Baden und Tauchen.

Am letzten Tag, nach Einpacken und Sortieren aller Materialien, besuchten wir zwei Kindergärten, wobei unsere brasilianische Zahnärztin das Wort führte und wir unterstützten. Eine Girlande aus Papierzähnen und viel Anschauungsmaterial wurde dortgelassen. Die Kindergärtnerinnen bemühen sich sehr, leider fehlt es manchmal an der Unterstützung durch die Eltern.

Alles in allem war die Reise eine gelungene Mischung aus echter Hilfe und Erholung. Und das Motto der Kapverden „No Stress“ sollte man getrost in seinen deutschen Arbeitsalltag einfließen lassen!

Unser Dank gilt den Sponsoren, ohne die das Ganze nicht möglich gewesen wäre und den Mitarbeitern der DWLF, die mit viel Herzblut versuchen, weltweit im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen.

 

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