von Reinhold Schulz (E-Mail: Vincentschulz [at] t-online.de)

Einsatz in Sambia: Zahntechniker Reinhold Schulz berichtet

Angesprochen wurde ich von Zahnarzt Jan Schneider, anfangs des Jahres, an einem Hilfseinsatz der Stiftung, Einsatzgebiet Sambia im September 2017, teilzunehmen. Er selber hatte bereits Erfahrungen bei einem Einsatz auf den Kapverden gesammelt und oft davon berichtet, sodass ich spontan zusagte. Später gesellte sich noch Zahnarzt Rico Jung dazu, welcher eine wertvolle Team-Komplettierung darstellte.

Nach Absolvierung sämtlicher Formalitäten wie: DWLF-Ausweis, Impfungen, Reisepass, Gepäckorganisation, Flugbuchungen, Spendenanfragen hinsichtlich Material- und Sachartikel etc., ging es am 01.09.17‘ endlich los. Von Düsseldorf, mit Zwischenlandung in Dubai, landeten wir nach ca. 20 Stunden in Lusaka, der 1250 Meter hoch gelegenen Hauptstadt Sambias. Nachdem wir hier unser Einreisevisum ausstellen ließen, wurden wir wie vereinbart von Herman Striedl, unserem Organisationsleiter und Lodgebetreiber unserer Unterkunft, empfangen. Nach einem vierstündigen Autotransfer zur Sandy Beach Lodge in Siavonga, trafen wir dort gegen 22 Uhr ein und wurden vom Lodgepersonal herzlichst empfangen. Im Laufe unseres gesamten Aufenthaltes wurden wir hier mit viel Aufmerksamkeit und Herzlichkeit umsorgt. Die Verpflegung ließ keine Wünsche offen und freundliche Menschen waren überall anzutreffen. Anfängliches Misstrauen oder gar Besorgnis (schließlich befanden wir uns plötzlich in einer 11.000 Kilometer weit entfernten, fremden Welt), wurde spätestens bei einer Begegnung während unseres Transfers zerschlagen: Bei einer Fahrzeugkontrolle durch die Polizei, wurden wir vom kontrollierenden Beamten, nachdem wir von Herman Striedl als Einsatzteam aus Deutschland vorgestellt wurden, mit einem überschwänglichen‚ “OLIVER KAHN!” begrüßt.

Diese kleine Begegnung sowie auch weitere kleine Episoden während des weiteren Aufenthaltes, gaben mir das Gefühl, mich in einem friedlichen Teil dieser Erde zu befinden.

Die Sandy Beach Lodge ist unmittelbar am Kariba Stausee gelegen. Der morgendliche Blick aus meinem Zimmer war stets atemberaubend. Um ca. 06.15 Uhr wurde es schlagartig hell und ein sonniger Tag begleitete uns, bis es um ca. 18.15 Uhr wieder schlagartig dunkel wurde. Das Klima hier in Siavonga empfand ich als angenehm trocken und warm. In der zweiten Woche stiegen die Temperaturen jedoch merklich an, sodass Temperaturen um die 38 Grad die Regel waren.

Jeden Morgen verabschiedete ich mich von meinen Kameraden, die Ihrem Einsatz in den umliegenden Dörfern nachkommen mussten. Ich wiederum wurde jeden Tag ins Siavonga District Hospital gefahren, wo sich mein Arbeitsplatz befand – ein kleiner Raum (ca. 15 qm gross), der mit allem Notwendigen, aus labortechnischer Sicht, ausgestattet war, um anfallende Arbeiten, wie die Abdrucknahme, Modellherstellung, Fertigung der Kunststoffprovisorien und deren Eingliederung, durchführen zu können.

Meine Vorgängerin aus einem früheren Einsatz hatte mir ein sehr aufgeräumtes Labor hinterlassen, sodass ich mich schnell zurechtfand, was auch notwendig war, da mir der hier ansässige Dental Therapist und auch Herman Striedl sofort die ersten Patienten brachten. Da die Amtssprache Englisch ist, konnte ich mich Ihnen einigermaßen mit meinem Schulenglisch verständlich machen, zumindest was einige Erklärungen bei der Abdrucknahme und die Terminvergabe anbelangte.

Mit jedem Tag fühlte ich mich mehr als ein Teil des Hospitals. Während meine Kameraden in den umliegenden Dörfern in – z.B. zu Behandlungszimmern umfunktionierten Klassenräumen der ansässigen Schulen – Ihre Patienten behandelten, fertigte ich im Hospital meine Zahnprothesen. Trotz des Termindrucks, der durch die größere Anzahl der zu versorgenden Patienten entstand, fühlte ich mich hier recht wohl. Abends wurde ich vom Fahrer der Lodge abgeholt und ich freute mich auf einen herrlichen Abend mit Jan und Rico. Wir erzählten uns die Ereignisse des Tages, genossen ein leckeres Essen mit einem kühlen Mosi, dem regionalen Bier. Später gesellte sich noch Herman zu uns, sodass wir den Tag mit einer Partie Skat ausklingen ließen.

Improvisation bei einem solchen Einsatz ist alles, denn schließlich darf der Arbeitsablauf nicht stillstehen. Ob an einem Tag ein Druckschlauch platzt und eingekürzt werden muss, oder an einem anderen Tag der Kompressorschalter repariert werden muss, da ja nicht mal eben ein Elektriker vorbeikommen kann. Also  müssen stets Lösungen her – Probleme gibt es deshalb auch nicht!

Wieder beginnt ein neuer Tag. Moses, unser Fahrer,  bringt mich zum Hospital. Wieder fahren wir über staubige, holprige Wege durch die, mit regem Leben gefüllten Dörfer. Und immer faszinieren mich die bunt gekleideten, emsig arbeitenden Menschen, wie Sie scheinbar frohgelaunt, oft lachend und singend, Ihre einfachen Wohnstätten von morgens bis abends bewirtschaften.

Eine kleine Pavianfamilie kreuzt unseren Weg. Wenig eingeschüchtert wartet Sie für einen Moment und schaut kurz in unsere Richtung. Schließlich ziehen Sie weiter und auch wir erreichen mit etwas Verspätung das Hospital, da eine Rinderherde die Weiterfahrt unterbricht, weil Sie die Straße besetzt.

Wieder im Labor: Es ist sehr heiß, da die Klimaanlage nicht funktioniert. Ich öffne das Fenster und beginne mit meiner Arbeit. Trinken ist sehr wichtig, denn es tropft in Strömen von der Stirn, was wiederum einige neugierige Besucher anzulocken scheint. Ein mir unbekanntes Insekt, in der Größe einer Libelle, scheint mich interessiert zu beobachten, indem es mich neugierig umschwirrt. Eine Hummel, etwa dreimal so groß wie die die ich aus Deutschland kenne, schaut auch mal vorbei und begrüßt mich, indem Sie mir Ihren Pelz entgegenstreckt. Vielleicht will Sie mich aber auch nur auf den Gecko an der Wand aufmerksam machen, der sich dort zu sonnen scheint.

Ich rühre meinen Gips und Kunststoff, und schleife, sodass es nur so staubt (eine Absaugung ist nicht vorhanden, aber dringend notwendig), immer aus meinen Augenwinkeln die neuen Genossen beobachtend. Plötzlich klopft es an der Tür. Eine ältere Dame (88 Jahre alt) kommt mit Ihrer Tochter ins Labor. Sie ist unglücklich, da Ihre Zahnprothese, welche erst vor wenigen Wochen in Lusaka gefertigt wurde, Ihr so starke Schmerzen verursacht, dass Sie diese nicht tragen kann. Nachdem ich einige Druckstellen und Störkontakte beseitigt habe, kann Sie die Prothese schmerzfrei tragen. Sie ist nun so glücklich, dass Sie mir unbedingt etwas vorsingen möchte und auch sofort mit Ihrem mehrstrophigen Gesang beginnt. Ich schaue auf die gebrechliche alte Dame, wie Sie dort im Behandlungsstuhl sitzt und mit Tränen in den Augen singend zu mir aufsieht. Sie möchte meine Hand halten, ich weiß nun nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll… ich höre Ihr einfach nur zu.

Unser Aufenthalt endet. Ein letztes gemeinsames englisches Frühstück am Pool unserer Lodge. Etwa 20 Ziegen möchten ebenfalls frühstücken und stürmen auch zum Pool um Ihren Durst zu stillen.

Herman und die Lodge-Gemeinschaft stehen zum Abschied bereit. Kurz und schmerzlos reichen wir Ihnen nach sambianesischer Art die Hand (dreimal hintereinander berühren), und fahren dann mit Moses und Piri, dem Ärztehelfer und routinierten Arztbegleiter, zurück nach Lusaka.

Ich nehme viel Erfahrung aus Sambia mit, sowohl beruflich als auch menschlich. Ich habe eine andere Welt kennengelernt, in der die Menschen einvernehmlich mit wilden Tieren zusammenleben und mit dem, was Sie haben, glücklich und zufrieden scheinen.

Ich hatte zwei Kameraden an meiner Seite, mit denen ich eine schöne, aber auch arbeitsintensive Zeit verbracht habe und diese Zeit mit Ihnen werde ich vermissen.

Mein Dank gilt ZTM Anja Dworzak aus Ingolstadt und ZT Wolfgang Heidenfeller aus Salzburg  für viele Tipps und Infos, dem Oberbürgermeisteramt der Stadt Oberhausen/Rheinland für die freundliche Unterstützung und spontane Hilfe sowie nicht zuletzt den Zahnärzten Jan Schneider und Rico Jung für die gemeinsame Zeit.

 

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