von Dr. Thomas Schwanitz (E-Mail: schwanitz-nossen [at] t-online.de)

Einsatzteilnehmer:

  • Dr. med. dent. Thomas Schwanitz (AD/GL)
  • Sylke Schwanitz (ADH)
  • Christiane Schmitt (ADH)

Tansania – wo ich auf der Karte suchen musste, wusste ich noch, aber wo liegen Songea, Mbinga und Litembo?

Als ich am 1. Oktober 24 meine Praxis abgeben konnte und im Januar 25 dann doch sehr plötzlich mit der zahnärztlichen Tätigkeit in meiner alten Praxis aufhören musste, dachte ich: das kann es doch nicht gewesen sein. Meine Frau Sylke als Zahnarzthelferin und ich suchten nun nach Möglichkeiten, die über Jahrzehnte gewonnenen Erfahrungen und Fähigkeiten nutzbringend einsetzen zu können. So kamen wir auf die Zahnärzte ohne Grenzen/Dentists without Limits (DWLF) und deren mögliche Einsatzgebiete. Vordergründig suchte ich nach portugiesischsprachigen Einsätzen, da ich vor 40 Jahren für ein Jahr in der VR Mosambik im Rahmen der Abkommen der DDR tätig war. Genau dies war dann auch der der springende Punkt bei der Auswahl von Herrn Deuerlein (Mitarbeiter der DWLF-Geschäftsstelle), mich für den Einsatz in Tansania auszuwählen und anzusprechen. Ein Afrika-erfahrener Zahnarzt – im Grunde richtig, aber vor 40 Jahren? Eine Vorbereitung war notwendig.

Zum Glück gibt es in unserer Stadt Nossen den Entwicklungshilfeverein „Brückenschlag“ mit Einrichtungen in der Provinzhauptstadt Mbinga. So konnten wir die Bedingungen vor Ort erfragen, die Anreise nach Songea klären und den Zwischenstopp in Daressalam organisieren. Als nächstes galt es, den Sprachkurs „Englisch“ anzuschieben, Visamodalitäten zu checken, Materialien für Füllungen zu bestellen (ohne Praxis schwierig) und die Vorgängercrew zu befragen. Natürlich haben wir den Kontakt zu unserer zweiten Helferin Christiane aufgenommen, die schon zwei Einsätze mit den DWLF absolviert hatte.

Bestmöglich vorbereitet, wohl wissend, dass sicher noch viel Neues auf uns zukommt, starteten wir am 26. März 2025 von Dresden in Richtung Frankfurt, und flogen über Addis Abeba weiter nach Daressalam.

Im Gepäck Material – auch Eigenes, Zahnbürsten und Geräte der DWLF, Brillen, persönliche Sachen sowie kleine Geschenke, die die Freundschaft erhalten/aufbauen sollten. Dabei war von Vorteil, dass „Äthiopien Airline“ 2 x 23 kg Gepäck je Ticket zulässt. Das war dann auch die erste schwierige Hürde in Daressalam. „Tansania Airline“ befördern nur 23 kg regulär sowie sieben Kilogramm Kabinengepäck. Nur einer sehr hilfsbereiten Mitarbeiterin der Airline war es zu verdanken, dass uns Dreien etliche Kilogramm erlassen wurden und sich das Übergepäck für 8.000 TZS/kg auf einige Kilos reduzierte.

Angekommen in Songea lernten wir dann ansatzweise afrikanische Verhältnisse auf einem Flughafen kennen. Spaziergang übers Rollfeld bis zum Gebäude und auch die Koffer auf dem LKW mussten selbst entladen werden. Aber zum Glück war alles da! Wir wurden von einem Fahrer im Toyota Landcruiser abgeholt, der uns auch die erste Woche befördern sollte, doch das wussten oder ahnten wir so noch nicht. Genauso wenig wussten wir über die Straßenverhältnisse, die den Namen Straße nicht verdienen. Nach zwei Stunden Fahrt ins Hochland im Süden von Tansania kamen wir dann durchgeschüttelt, aber doch beeindruckt von den Bildern von entlegenen Dörfern, den Kaffeeplantagen, mit Ackerbau bewirtschafteten Steilhügeln und vielen Schulkindergruppen, mit ihren Einheitsuniformen, im 1600 m über Null gelegenen Litembo an.

Die Unterkunft dort befindet sich nahe dem Hospital. Unser neues zu Hause ist ein Gästehaus, in dem auch andere Hospitanten und Praktikanten wohnen. Das war für uns von großem Vorteil, denn der oft angekündigte deutschsprachige Verbindungsmann Pater Raphael war leider krank und lag im Krankenhaus in Daressalam. So wurden wir wenigsten über die Hausordnung und die örtlichen Gegebenheiten aufgeklärt. Nur so viel in Kurzform: kaum jemand spricht Englisch – nur Suaheli, es gibt häufige HIV-Infektionen und wahrlich afrikanisch geprägte hygienische Verhältnisse im Hospital. Nach der langen Fahrt wollten wir uns dann doch noch das Dorf ansehen. Also auf ging es und wir wurden sehr höflich, achtungsvoll und freundlich empfangen. Auch ohne Englisch gab es wirklich sehr menschlich anrührende Begegnungen und Kontaktaufnahmen. Das lag sicher auch daran, dass wir in der Sonntagsmesse der Kirche, auf Plakaten am Hospital und an verschiedenen anderen Stellen angekündigt worden waren.

Sonntagnachmittag konnten wir im Hospital unsere mitgebrachten Sachen entladen und uns die Ausrüstung vor Ort ansehen. Eine druckluftgesteuerte Einheit, die fest installiert war und die Mobile Einheit machten einen guten Eindruck. Lichthärtegerät, ZEG und Kapselmischer – alles da, Material hatten aber wir nur zum Teil dabei. Unsere deutsche Sterilisationskette scheiterte schon am ersten Schritt – keine Desinfektionsmittel vorhanden! Da packte Christiane zwei Beutel Desinfektionstücher aus, die uns die nächsten zwei Wochen retten sollten. Die Verwaltungsleiterin Anna M. hat uns dann das folgende Wochenprogramm erläutert:

Sechs Tage – sechs Stationen – fünf verschiedene Übernachtungen, bis zu zwei Stunden lange Transportwege unterwegs, die Regenzeit war noch nicht zu Ende, damit waren Ausspülungen der Wege und rutschige Straßen verbunden. Ein Ärzteteam des Hospitals begleitete uns, ein Gynäkologe, eine kubanische Internistin sowie eine Schwester, die Ultraschalluntersuchungen vornahm. Der geplante Augenarzt konnte aus persönlichen Gründen nicht mitreisen.

Montag, 6.30 Uhr, Start ins Ungewisse. Die Fahrt war nach nächtlichem Regen nicht sehr angenehm. Sylke saß hinten auf einem Notsitz und wurde – so wie wir alle – hin und her geschleudert.

Der erste Tag war sehr aufregend, da wir nicht wussten, was uns erwartet. Angekommen im Gesundheitszentrum packten wir unsere Sachen aus. Uns wurde ein Zimmer zugewiesen, das eine schwache Lampe hatte, eine Steckdose zwar, aber keinen Wasserhahn. Zwei Tische konnten wir uns dazu organisieren und so die Technik aufbauen. Dies waren dann auch unsere Kriterien für die Akzeptanz einer Räumlichkeit in den folgenden Tagen, natürlich war ein Wasseranschluss sehr willkommen. Ein Patientenstuhl gab es nur an einem Ort der Reise. Im Allgemeinen bekamen wir die Liegen aus dem Entbindungszimmer.

Stirnlampen hatten wir mit und manchmal half auch eine kleine Treppe, um an den Mund der Patienten heranzukommen. Nach der Vorstellung des gesamten Ärzteteams für die Patienten in der jeweiligen Einrichtung ging es meist zu einem kleinen Frühstück. Mit Mbinga-Instantkaffee oder Tee sowie einem kleinen Snack im Bauch konnten wir dann mit der Behandlung beginnen. Patienten gab es auf der mobilen Tour reichlich. Die sonst fällige Gebühr für die Behandlung musste bei uns nicht entrichtet zu werden. Die Verständigung war schwierig. Der mitgereiste Dolmetscher, ein Zahnarzt aus Litembo, versuchte anfänglich die Wünsche der Patienten zu übermitteln, doch nach kurzer Zeit einigten wir uns auf Schlagwörter, um die Sache abzukürzen. Anästhesie, eventuelle Füllungen während der Wartezeit, dann notwendige Extraktionen, so lief im Allgemeinen der Behandlungsablauf der 35-50 Patienten pro Tag ab. Von Vorteil war mein Universal-Lieblings-Beinscher-Hebel für mich. Der musste die nicht vorhandenen und schmerzlich vermissten Fräsen oder Wurzeltrenner ersetzen und war leicht mit den Tüchern zu desinfizieren. An eine Sterilisation tagsüber war nicht zu denken. Am mitgebrachten Steri-Topf war das Manometer während der Fahrt abgebrochen und somit untauglich geworden. Katastrophal war das Nahtmaterial aus dem Hospital. Ein Schuster hätte grazilere Nadeln. Diese wichtigen Mitteilungen wurden leider von unserem Vorgängerteam uns so nicht übermittelt.

Nicht jeden Tag konnten wir am Mittagessen teilnehmen. Christiane und Sylke haben unter diesen schwierigen Umständen Hervorragendes geleistet, denn der nächste Patient stand schon im Zimmer, da war der Vorgänger noch nicht von der Liege. An einem Ort konnten wir leider nicht alle hilfesuchenden Patienten behandeln. Gegen 18 Uhr standen immer noch ca. 30 Menschen vor der Tür. Doch die einbrechende Dunkelheit und meine Ermüdung ließen keine weiteren Behandlungen zu. Erschöpft, aber meistens zufrieden mit unserer Arbeit, wurden wir dann abends, nachdem alles wieder ins Auto verladen werden musste, ins Quartier gefahren. Meistens waren es kirchliche Gästehäuser. Ein Bett mit Moskitonetz, ein Tisch und nicht immer fließendes Wasser reichten uns aus, um einzuschlafen.

Am Tag 5 gab es dann eine Überraschung. Wir übernachteten am Malawi-See in einer Unterkunft mit fast europäischem Standard und einer grandiose Landschaft. Kleiner Nachteil am See war das Klima: sehr warm und die Behandlung tagsüber doppelt so anstrengend. Die Dankbarkeit der Patienten und der Respekt, der uns entgegengebracht wurde, zeigten uns dann doch die Sinnhaftigkeit unseres Einsatzes. Am See hatte wir Gelegenheit zu einem Fischerdorf zu laufen. Die Kinder verfolgten uns bald in einer kleinen Schar. Doch wir konnten bald erkennen, dass die Fischerei keinen großen Gewinn abwarf. So ärmliche Hütten hatten wir auf unserer gesamten Reise nicht gesehen. Auch diese Erkenntnis hat uns motiviert, weiterhin unser Bestes zu geben. Samstagabend sind wir wieder in Litembo angekommen und wurden von den Mitarbeitern des Hospitals als Teilnehmer des Mobilen Teams sehr achtungsvoll empfangen.

Das Ausladen der Technik funktionierte nach der Woche reibungslos und routiniert. Den Sonntag nutzen wir dann, um uns auszuruhen sowie die Technik für den Montag vorzubereiten. In der folgenden Woche konnten wir aus unserem Quartier heraus zum Hospital laufen, hatten regelmäßige Arbeitszeiten und Gelegenheit die anderen Abteilungen kennenzulernen. Bei den Besuchen der mitgereisten Kollegen hatten wir schon nach einer Woche einen Teamgeist aufgebaut, denn jeder hatte ein Gefühl für das Arbeitspensum, das der Andere geleistet hatte.

Direkt im Ort Litembo gab es keine Möglichkeiten, größere Einkäufe zu machen. Ein Stand mit etwas Obst und Gemüse sowie ein kleiner Getränkemarkt waren vorhanden. So blieb nur die recht eintönige Verpflegung aus dem Hospital.

Die zweite Woche verging dann ebenso schnell. Nach all den erlebten Unterkünften von der mobilen Tour freuten wir uns riesig auf unseren Zwischenstopp der Rückreise am Indischen Ozean. Die Hütten dort hatten wir anfänglich belächelt, nun waren sie wie Paläste.

In uns sind immer noch die Eindrücke unseres Einsatzes lebendig. Die Zufriedenheit der Menschen, obwohl sie nicht immer wissen, was sie und ihre Familien am nächsten Tag essen können, die Dankbarkeit für unsere Hilfe und der vielen Menschen aus Deutschland, die diese möglich machen, berechtigen zu sagen, dass es sich gelohnt hat. Die Menschen in Tansania haben erfahren, dass sie nicht vergessen sind, und wir hatten die Möglichkeit unser Wissen und Erfahrung weiterzugeben. Für mich persönlich bleibt die Frage, was aus den vielen Patienten geworden ist, die wir mit schwierigen Diagnosen therapiert haben.

Also vielleicht mal wieder Tansania?