von Dr. Yvonne Wübben

Der Einsatz mit „Zahnärzte ohne Grenzen“ führte meine Schwester, Sina Wübben, und mich, Yvonne Wübben, für zwei Wochen auf die Kapverden. Den Koffer vollgepackt mit zahnmedizinischen Utensilien traten wir im November 2023 voller Vorfreude die Reise an.

Unser Team:

  • Dr. Wolfgang Kehl (Gruppenleiter),
  • Dr. Ute Kehl,
  • Dr. Sina Wübben,
  • Dr. Yvonne Wübben.

Auf den Kapverden angekommen, holte uns ein Fahrer ab. Reibungslos erreichten wir zu später Stunde unsere Unterkunft von Jean Charles „Casa JC“. Am nächsten Morgen empfingen uns der Teamleiter Dr. Wolfgang Kehl und seine Frau Dr. Ute Kehl sehr herzlich und zeigten uns nach einem ausgiebigen Frühstück die Hauptstadt Praia. Nachdem wir uns einen ersten Eindruck verschaffen konnten, begann am Tag darauf unser erster Einsatz. Gespannt auf das, was uns erwarten würde, stiegen wir in den Ambulanzwagen, der uns jeden Morgen zum Einsatzort, dem Gesundheitszentrum „Centro de Saúde da Cidade Velha“, brachte. Hier lernten wir auch die Zahnärztin Dr. Elisabeth Rodriquez kennen, die sich um die Patiententerminierung kümmerte und uns bei Kommunikationsproblemen jederzeit zur Seite stand.

Alle angemeldeten Patienten trafen bereits vor Beginn der Sprechstunde im Gesundheitszentrum ein und warteten geduldig darauf, aufgerufen zu werden. Aufgrund der unbekannten Mundsituation eines jeden Patienten und dem damit verbundenen, nicht abschätzbaren Zeitaufwand, mussten die Patienten viel Geduld mitbringen. Unser Ziel war es, nicht nur die schmerzenden Zähne zu behandeln, sondern das Gebiss vollständig zu sanieren, um eine langfristige Lösung für die Patienten zu schaffen. Nach dem Legen von Füllungen, dem Ziehen von nicht erhaltungswürdigen Zähnen und dem Entfernen von Zahnstein folgte die Instruktion und Motivation zur Zahnpflege. Dinge, die in Deutschland als Selbstverständlichkeit angesehen werden, wie das Anfertigen von Röntgenbildern, die Durchführung von Wurzelkanalbehandlungen, die Herstellung von Zahnersatz sowie die Verwendung einer elektrischen Behandlungseinheit, waren nicht möglich. Stattdessen behandelten wir auf einer Liege. Licht wurde durch eine, an einem Ständer befestigten, Taschenlampe erzeugt.

Während Wolfang und Ute Kehl schon langjährige Erfahrungen im Einsatz der „Zahnärzte ohne Grenzen“ aufwiesen, mussten wir Neulinge uns erst einmal an die neuen Arbeitsverhältnisse gewöhnen. Dank des Ehepaars an unserer Seite gelang uns dies jedoch sehr schnell. Somit starteten wir die weiteren neun Arbeitstage voller Vorfreude auf einen neuen spannenden Tag und beendeten jeden einzelnen mit dem zufriedenstellenden Gefühl, viel Gutes getan zu haben.

Um die Wartezeit für die Patienten zu verkürzen, verlegten wir die Mittagspause auf das Ende des Behandlungstages. So verbrachten wir den Feierabend in einem kleinen Restaurant an der Küste von Cidade Velha. Dies bot die Möglichkeit, den Tag zusammen Revue passieren zu lassen. Während wir unter anderem das lokale Gericht Kaschupa genossen, konnten wir dem Rascheln der Palmen und dem Brechen der Wellen lauschen.

Für größere Unternehmungen war am Wochenende Zeit. Der hilfsbereite Jean Charles organisierte uns auf Anfrage eine wunderschöne Inselrundfahrt. Sein Neffe und dessen Freund fuhren uns bis nach Tarrafal, zeigten uns die schönsten Orte der Insel und vermittelten uns viel Insiderwissen.

Archivfoto: Strand von Tarrafal

Wie im Flug verging die Zeit und auf einmal stand der letzte Tag vor der Tür, welcher unser persönliches Highlight werden sollte. Zusammen mit Elisabeth und dem Ehepaar Kehl fuhren wir in die Schule von São João Baptista, um Aufklärungsarbeit zu leisten. In Scharen rannten uns die Kinder entgegen und freuten sich auf den Besuch aus Deutschland. Mit großen Ohren lauschten sie Elisabeth, die interaktiv und mit viel Enthusiasmus die Kinder über Ernährung und Mundhygiene informierte.

Die Herzlichkeit der Kapverdier war überwältigend. Durch den Einsatz in Cidade Velha war es möglich, nicht nur den Menschen vor Ort zu helfen, sondern auch in Kontakt mit ihnen zu treten. Die Menschen sind aufgeschlossen und sehr freundlich. Ob jung oder alt, jeder grüßte. Wie auch in Teilen Europas, ist es gängig bei der Begrüßung nach dem Wohlbefinden des Gegenübers zu fragen. So wird häufig die Redewendung „Sta kampion?“ verwendet. Das so viel heißt wie: „Fühlst du dich wie ein Champion?“. Die Antwort lautet meist: „Sta kampion!“„Ich fühle mich wie ein Champion!“. Diese Art der Begrüßung verdeutlicht die optimistische Haltung der Menschen, trotz großer Armut. Bemerkenswert ist auch das Lebensmotto der Kapverdianer, welches „No stress!“ lautet. Sogar auf Tüchern und Kleidern findet man diese beiden Worte. Wir haben schnell gelernt, die Gelassenheit zu schätzen und den Blick für die schönen Dinge des Lebens zu schärfen, indem man seiner Umwelt mit weniger Hektik und mehr Aufmerksamkeit begegnet.

Zusammenfassend war der zweiwöchige Einsatz bei Temperaturen um die 30 Grad zwar schweißtreibend, aber eine wahnsinnig wertvolle Zeit, die wir nicht mehr missen möchten. Er lehrte uns einerseits unseren Wohlstand und unser funktionierendes Gesundheitssystem zu schätzen. Andererseits regt er zum Umdenken an. Es ist erstaunlich, welchen Einfluss die Positivität anderer auf die eigene Perspektive haben kann.

Wir sind froh, dass wir diesen Menschen helfen und durch die Versorgung aller behandlungswürdigen Zähne eine langfristige Lösung schaffen konnten. Gleichermaßen sind wir unendlich dankbar für die Eindrücke und Erfahrungen, die wir durch Land und Leute sammeln durften. Bepackt mit unvergesslichen Erinnerungen, kehrten wir nach Deutschland zurück. Diese Zeit erweiterte sowohl unser zahnmedizinisches Wissen als auch unser Bewusstsein. Fest steht, dass der Einsatz nicht nur eine Bereicherung für die Menschen vor Ort, sondern auch für die freiwilligen Helfer der Zahnärzte ohne Grenzen ist.

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