von Christina Pyka (ADH)

Vor ungefähr drei Jahren hörte ich zum ersten Mal von den Zahnärzten ohne Grenzen (DWLF). Eine ehemalige Kollegin war mittlerweile Helferin bei dieser Organisation und fragte, ob nicht jemand aus unserer Praxis Interesse hätte, sich einem Einsatz anzuschließen. Ich fand das unglaublich interessant und mutig von ihr und wollte das eigentlich auch gerne machen, war aber irgendwie noch nicht so weit, meine Komfortzone zu verlassen, um so weit entfernt in Afrika zu arbeiten.

Vor ca. einem Jahr aber musste ich in meinem Leben einmal irgendetwas ändern. Einmal etwas anderes tun, etwas für mich, etwas, was ich schon immer mal machen wollte aber noch nicht den ersten Schritt getan habe. Also tat ich dann genau das: ich schrieb eine E-Mail an die Zahnärzte ohne Grenzen und bot meine Hilfe an. Was muss ich machen, wenn ich dabei sein möchte? Eigentlich bin ich Prophylaxe-Assistentin und mache den ganzen Tag Zahnreinigungen und habe die letzten Jahre nur wenig in der Assistenz gearbeitet. Frau Franka Selz (Einsatzkoordinatorin bei DWLF) war sehr freundlich und hat mich per Mail und telefonisch gut beraten und mir alles Wichtige erklärt. Frau Selz schlug mir dann den Einsatzort in Lomé, Togo vor, da dort ein größeres Team benötigt wird und auch ein Prophylaxe Tag in der Schule eingeplant ist. Eigentlich dachte ich, dass die Kapverden oder Sambia das richtige für mich wären, denn das klang für mich mehr touristisch und nach “Urlaub”, aber dort waren alle Einsätze schon geplant. Also sollte es vielleicht so sein und ich habe für Lomé zugesagt.

Im November stand dann alles fest. Ich habe meine Flüge gebucht, meine Unterlagen eingereicht und die benötigten Impfungen erhalten. Jetzt hieß es nur noch bis März warten, bis es losginge. In der Zeit habe ich immer wieder überlegt, was ich alles mitnehmen soll: welche Kleidung, Moskitonetz, Mückenspray, Kreditkarte, Zahnbürsten. Eines war ganz klar, Spielzeug für die Kinder: Seifenblasen, Springseil, Gummitwist, Fingerskateboards, Buntstifte und Malpapier, und diese kleinen Styroporflugzeuge in der roten Verpackung, die es früher oft in den Wundertüten oder beim Entchen-Angeln auf dem Jahrmarkt als Trostpreis gab sowie kleine bunte Schaumstoffbällchen für die jüngeren Kinder. Hauptsache viel, damit auch jedes Kind etwas bekommt. Für die Schule und das Waisenhaus habe ich noch ein Ballspiel gekauft. Dieses Strandspiel von “damals”, bei dem zwei Spieler je eine runde Scheibe, mit Klettbezug um die Hand gespannt, haben, mit dem man einen Ball fängt, diesen dann abzieht und dem anderen Spieler zuwirft, um diesen dann wieder mit der Scheibe aufzufangen.

Ein paar Freunden habe ich natürlich von meinem Plan erzählt. Meine Mutter hat mir direkt 200 Euro überwiesen und ein Freund hat mir 40 Euro in die Hand gedrückt, um mich finanziell bei der Spielzeug- und Zahnbürstenbeschaffung zu unterstützen.

Ich fragte meine Chefin, ob ich Zahnbürsten und ein paar andere Dinge über die Praxis bestellen darf. Ohne zu zögern willigte sie ein. “Bestellen Sie, was Sie brauchen, das spenden wir natürlich, nehmen Sie auch Handschuhe, Mundschutze und Händedesinfektion mit.”

Es schien noch endlos lange zu dauern. Aber dann waren es nur noch zwei Wochen und so langsam stieg die Aufregung. Ich weiß nicht, wie oft ich meinen Koffer einen Tag vor Abflug ein- und wieder ausgepackt habe, um sicherzugehen, dass ich nichts vergessen hatte. Obwohl ich alles digital auf dem Handy hatte, habe ich alle Unterlagen wie die Visa, Gesundheitszertifikate und Flugtickets ausgedruckt und sowohl im Handgepäck als auch nochmal im Koffer verstaut. Es könnte ja sein, dass mein Akku leer ist und mein Handgepäck geklaut wird. Ich war also wirklich aufgeregt. – Und dann war es endlich so weit.

Ich wusste vorher, dass eine weitere, mir persönlich noch unbekannte Zahnärztin ebenfalls aus Hamburg kommt. Also verabredeten wir uns über WhatsApp am Flughafen, um die Reise gemeinsam anzugehen. Man fühlt sich doch etwas sicherer beim Umsteigen, wenn man nicht allein vor der riesigen Anzeigetafel steht und sein Gate sucht.

Am Pariser Flughafen, wo wir umsteigen mussten, haben wir dann weitere Team-Mitglieder getroffen. Mit einer Truppe, einer Zahnärztin und zwei ihrer Assistenzen, waren wir dort verabredet. Zwei weitere Team-Mitglieder haben wir dann “zufällig” getroffen, denn wir haben uns erkannt. Teilweise von den “Fahndungsfotos” (eine Bildergalerie von allen Ersatzmitgliedern in unserer WhatsApp Gruppe Team Togo) und teilweise, weil es vielleicht auffällig ist, wenn sich eine kleine Truppe zahnmedizinischer Mitarbeiter unterhalten und ebenfalls nach Togo fliegen wollen.

Ankunft am Flughafen Lomé

Die Wartezeit nach der Ankunft am Flughafen sowie die Sicherheitskontrollen haben ziemlich lange gedauert. Viele Menschen sind mit uns gelandet, der Flieger war voll. Es wurden Fragen zum Aufenthaltsgrund gestellt, Reisepass und Gesundheitszertifikate kontrolliert, Fotos gemacht. Der Flughafenmitarbeiter konnte zum Glück gut Englisch sprechen. Erste Hürde geschafft. Im Anschluss holten wir die Koffer ab – aber es war wieder eine riesige Schlange da und wir mussten wieder warten. Stundenlang. Die Abfertigung am Flughafen hat gefühlt genauso lange gedauert wie der Flug selbst. Das sollte nicht das letzte Mal in Togo gewesen sein, dass wir warten mussten. Endlich war es geschafft!

Dann wollte ich endlich raus aus dem Flughafen – frische Luft schnappen. Beim Verlassen des Flughafens hat mich die drückend heiße Luft fast erschlagen. Der klimatisierte Flughafen war weitaus erfrischender als die stickige Luft vor der Tür. Ich bin morgens in Hamburg bei Schneeregen losgeflogen und jetzt ist es so heiß, dass ich viel zu warm angezogen war. Aber genau das liebe ich, wenn ich weit wegfliege. Sei es Asien oder nun auch Afrika. Tropisches Klima.

Wir wurden von einem Fahrer unseres Hotels abgeholt, der netterweise die ganze Zeit gewartet hat, bis wir alle den Flughafen mit unserem Gepäck verlassen konnten.

Wochenend-Domizil

Im Hotel “Petit Brüssel” wurden wir dann sehr herzlich empfangen. Die Zimmer dort haben einen hohen Standard, das Bett war bequem, Bad, Dusche & Toiletten waren tiptop. Alles war hell und freundlich eingerichtet. Eine Badewanne mitten im Raum, aber das Schönste war der Ausblick direkt auf den Strand und den Atlantischen Ozean. Das war unser Wochenenddomizil.  Luxus! Die Verpflegung im Hotel war nichts Außergewöhnliches, irgendwie typisch auf Touristen ausgelegt, aber vollkommen ok. Landestypische Speisen wie “Fufu” waren zwar nicht im Angebot, dafür gab es aber genug Pizza, Burger, Salate, Reis, Fisch und Fleisch, sodass für alle Geschmäcker etwas dabei war. Hier haben wir jedes Wochenende verbracht. Wir haben die Zeit am Strand genossen, sind in der Umgebung essen gegangen oder haben den Abend an der Hotelbar verbracht.

Der Markt war auch ein Highlight. Gerüche, wie ich sie zuvor nie wahrgenommen habe. Viele Gewürze, Klamotten, Früchte, Gemüse – und auch Fliegen – oft angetroffen bei den Fleisch- und Fischständen, die die frische Ware quasi ummantelt haben.

Am letzten Wochenende haben wir den Markt noch einmal besucht und ich wollte natürlich noch ein paar Mitbringsel ergattern, aber ich hatte nicht mehr genügend Geld eingetauscht. Allerdings fand ich in meinem Rucksack noch ein paar Seifenblasen und Fingerskateboards, es dauerte nicht lange, bis mir ein Verkäufer unbedingt überteuerte Zopfgummis anbot. Ich habe bemerkt, dass seine Frau und seine zwei Kinder im Hintergrund gesessen haben. Ich habe ihm dann ein Tauschgeschäft angeboten. Ich zeigte ihm die Spielsachen, er wollte verständlicherweise lieber Geld, aber seine Frau ging dazwischen und gab ihm zu verstehen, dass es ein sehr gutes Tauschgeschäft ist und er auf das Angebot eingehen soll. Also habe ich ein kleines Zopfgummi gegen eine Hand voll Spielzeug getauscht. Die Kinder haben sich riesig darüber gefreut.

Einige Male sind wir auch auswärts essen gegangen. Zum Beispiel im Hotel “New Robinson Plage”. Das liegt zwar direkt am Meer mit einem tollen Ambiente, aber auch direkt neben einem Slum. Als wir das erste Mal mit dem Taxi durchgefahren sind, war mir schon ein wenig mulmig zumute, dafür gab es allerdings keinen Grund. Die nächsten Male, als wir mit den Taxis durchgefahren sind, war es schon fast normal und die Leute, die uns bemerkt haben, haben einen eher freundlich neugierigen Eindruck hinterlassen. Zu Fuß sollte man dort aber vielleicht nicht unbedingt einen Spaziergang wagen.

Der Blick aus dem Hotel “Petit Brussel”.

1. Einsatzort Akepe

Am Wochenende waren wir beim Bürgermeister der Stadt eingeladen. Die erste Taxifahrt mit einem Fahrer, der wohl bei der Polizei Interesse geweckt hat und die uns mehr als einmal angehalten hat: Entweder lag es an den vier weißen Frauen im Auto oder daran, dass er für dieses Gebiet offensichtlich keine Lizenz hatte. Wir haben das Aufsehen vieler Passanten geweckt, die, so wie es mir anfangs vorkam, sehr nah an unseren Taxis vorbeigelaufen sind. Ich gebe zu, ich hatte schon etwas Angst und habe deswegen die Autotür von innen festgehalten. Zurückblickend vielleicht etwas überreagiert, aber es war ja auch unser erster Tag. Da musste man sich erst einmal dran gewöhnen. Eine andere Team-Kollegin schien es wohl ähnlich zu empfinden, denn ich habe auch Ihre Hand fest am Türgriff festhalten gesehen. Da wir aber im Konvoi fuhren, hat unser Gruppenleiter Aimé unser Zurückbleiben natürlich bemerkt und die Angelegenheiten mit der Polizei geklärt. Die Polizei stand übrigens mit Maschinengewehren am Straßenrand, das war schon ein ungewohntes Bild. Auf der Weiterfahrt winkte uns fröhlich ein Kind mit einer Machete zu, das wahrscheinlich dort auf einer Plantage gearbeitet hat. Aber auch dieser Anblick war ziemlich merkwürdig. Die Kinder allgemein waren alle sehr interessiert an uns und haben uns lange nachgeschaut, aber immer mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

Am Zielort Akepe angekommen, hielten der Bürgermeister und seine Mitarbeiter eine kleine Ansprache. Wir wurden dort sehr warm und herzlich begrüßt. Im Anschluss konnten wir uns auch schon mal das Krankenhaus ansehen, in dem wir ab Montag arbeiten sollten und danach waren wir noch auf die Farm des Bürgermeisters zum Essen eingeladen. Das war das erste authentische afrikanische Essen, das ich probieren durfte. Endlich kam ich in den Genuss von Fufu.

Da waren Leute, die machten die ganze Zeit über Fotos oder Videos. Nach Ende des Einsatzes schickte uns unser Gruppenleiter Aimé dann ein Video eines lokalen TV-Senders und – siehe da – dort waren wir alle gemeinsam als Team in den “Akepe-News” zu sehen.

Am Montagmorgen wurden wir von Sebastian, dem Fahrer des Bürgermeisters, aus Lomé abgeholt. Der Bürgermeister war wohl diese Woche selbst nicht in der Stadt und hat uns seinen Fahrer netterweise zur Verfügung gestellt. Sebastian hat uns auch den Rest der Woche begleitet. Er war immer pünktlich und hat uns ein sicheres Gefühl auf den im Vergleich zu Deutschland doch recht chaotischen Straßen Togos vermittelt. Einmal ist er sogar für uns einen Umweg durch die Reisfelder gefahren, um uns noch die schönen Ecken in der Umgebung zu zeigen. Vielen Dank Sebastian!

Die Arbeitsatmosphäre ist in Aképé wunderschön. Ein großer offener Raum aus Holz, der ein bisschen an eine Kapelle erinnert. Die Hitze – vor allem vormittags – war zwar kaum auszuhalten, aber daran hat man sich schnell gewöhnt. Es blieb auch wenig Zeit sich damit auseinanderzusetzen, denn wir wollten möglichst schnell mit der Patientenbehandlung beginnen. Also schnell die Kartons mit den Materialien und Instrumenten ausgepackt, die wir bereits am Wochenende im “Hotel Petit Brüsse”l auf die verschiedenen Einsatzorte aufgeteilt hatten. Die Einheiten, der Behandlungsstuhl und die Absauganlage inspiziert und auf gings. Allerdings musste ich doch nochmal schnell meine viel zu warme Arbeitshose gegen eine luftige Urlaubshose tauschen und dann ging es los. Eine Mitarbeiterin aus dem Krankenhaus hat sich um die Patientenaufnahme gekümmert. Die Zusammenarbeit war zwar anfangs etwas holprig, da die Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was man hierzulande gewohnt ist, doch etwas anders ist. Letztendlich haben wir uns dann aber doch aufeinander eingespielt. Sie hat sich dankbarerweise auch um die Instrumentenaufbereitung gekümmert, was sehr hilfreich war, denn sonst hätten wir die Hälfte des Tages damit verbracht und viel weniger Patienten behandeln können.

An unserer Seite hatten wir außerdem Jean, einen sehr engagierten Übersetzer, der uns auch darüber hinaus sehr gut betreut und in vielen Situationen unterstützt hat – z.B. beim Leeren der Absauganlage oder beim Anreichen der Instrumente und Materialien. Er hat sehr gut Deutsch gesprochen und uns bei der Kommunikation mit den Patienten geholfen. Er hat während der Arbeit immer sichergestellt, dass wir ausreichend Wasser zur Verfügung hatten und uns am Ende des Arbeitstages nochmal zusätzlich mit regionalem Obst, wie z.B. Mangos, Bananen und Papayas und mit Getränken versorgt. Besonders lecker war der Affenbrotbaum-Saft (Baobab, mittlerweile auch in Deutschland als “Superfood” zu bekommen). Jean ist eine wahre Bereicherung für uns gewesen.

Am Tag wurden etwa 20 – 30 Patienten behandelt. Überwiegend Extraktionen und Füllungen. Wir haben von ca. 9 bis 16 Uhr durchgehend, ohne große Pause, behandelt, denn das Patientenaufkommen war groß und wir wollten natürlich möglichst viel schaffen, um niemanden nach Hause zu schicken, der zwei Tage zu uns unterwegs war.

Viele Patienten haben einen weiten Weg auf sich genommen und waren schon vor uns am Einsatzort, einige haben teilweise in der Umgebung oder direkt vor dem Tor übernachtet und dann geduldig gewartet. Auch viele Kinder waren dort – manchmal nur als Begleitung, aber einige auch als Patient. Bei den meisten Kindern waren es nur kieferorthopädische Probleme, wo wir bis auf ein paar Milchzahnextraktionen und Beratungen nicht viel machen konnten. Gelegentlich wurde von den Patienten im Vorgarten eine kleine Kochstelle errichtet, wo sie sich die lange Wartezeit vertrieben haben.

Der Behandlungsstuhl funktionierte, allerdings war die Höhenverstellung sehr langsam. Die mobile Absauganlage und -einheit war gerade so ausreichend und störanfällig. Zwischen Behandlungsstuhl und Wartebereich wurde eine kleine Sichtschutzwand aufgestellt, die aber durch den Wind umsturzgefährdet war und eher zur Gefahr wurde. So hieß es dann doch weiter, vor offenem Publikum zu behandeln. Ein großer und ein kleiner Tisch neben dem Behandlungsstuhl standen bereit, um alle Arbeitsmaterialien und Instrumente auszubreiten.

Am zweiten Tag haben wir dann etwas umdisponiert und der kleine Tisch wurde zum Assistenz Tisch, um die Laufwege und die Stolpergefahr zu minimieren. Der Zahnarzt hat sich auf seiner Seite Zangen und Hebel herausgesucht, denn die Auswahl ist teilweise sehr begrenzt gewesen und jeder hat ja dann so seine Lieblingsinstrumente. Auf meiner Seite waren dann die anderen Dinge, die ständig gebraucht wurden. Zum Beispiel Grundbesteck, scharfe Löffel, Anästhesie und Tupfer. So hat es wunderbar funktioniert.

Alle Patienten waren sehr nett und dankbar, nur manche schienen etwas teilnahmslos, was aber kein Wunder ist, wenn Patienten mit Zahnschmerzen lange warten müssen, bis sie an der Reihe sind. Alkohol war bestimmt auch das eine oder andere Mal mit im Spiel. Denn der ist in Togo relativ günstig.

Zangen, Hebel, scharfe Löffel, Grundbesteck, Tupfer und Anästhesie wurden am häufigsten gebraucht. Eigentlich auch Lindemannfräsen und Skalpelle, aber die waren teilweise nicht vorhanden. Dafür mussten dann Diamantbohrer herhalten.

Das Arbeitsaufkommen in Aképé war groß, man hätte dort auch locker mit zwei Teams arbeiten können. Die Umstände waren zwar sehr gewöhnungsbedürftig, aber mir hat es hier am ersten Einsatzort in Aképé am meisten Spaß gemacht, weil die Arbeitsatmosphäre einfach super war. Arbeiten im Freien hat was!

Das “Wartezimmer” in Aképé

Der Behandlungsstuhl in Aképé

Der Vorgarten

2. Einsatzort Tsévié

Nach zwei Tagen in Aképé haben wir untereinander im Team den Einsatzort getauscht. Das Krankenhaus in Tsvéié war dann ein ganz anderer “Schnack”: viel größer und viel Beton. Zwei Behandlungsräume und viel mehr Personal aus dem Krankenhaus, die uns unterstützt haben. Die zwei Behandlungsstühle waren leider nicht verstellbar. Das war vor allem für die Arbeitshaltung sehr anstrengend. Auf einem großen alten ausrangierten Krankenhausbett wurden alle Materialien ausgebreitet. Die lokalen Mitarbeiter kümmerten sich auch hier um die Instrumente und Sterilisation. Zwischendurch haben Sie natürlich auch mal ein Pläuschen gehalten, das oft mit herzlichen lauten Lachen einherging. Ab und zu wurde sich auch mal ein kleines Nickerchen gegönnt. Da das Krankenhausbett mit unseren Materialien belegt war, musste dafür der Bürostuhl herhalten. Auch hier waren die mobilen Einheiten und Absauganlagen kaum ausreichend und störanfällig. Die Räumlichkeiten waren zum Glück klimatisiert. Wir haben uns untereinander im Team abgewechselt und die Stühle getauscht, je nachdem, was gerade gebraucht wurde: Turbine, Ultraschall oder Winkelstück.

An einem Tag war eine lokale Radioreporterin zu Besuch, die sich mit Personal und Patienten unterhielt, um einen Radiobericht über das Krankenhaus und unsere Arbeit zu erstellen. Am Ende des Tages war sie selbst noch zur Behandlung bei uns. Wir haben von ca. 8 Uhr bis 14:30 Uhr behandelt. Im Vergleich zu den anderen Aufenthaltsorten also kurz.

An einem anderen Tag kamen wir leider mit ca. 1,5 Stunden Verspätung an, da wir auf unser Taxi warten mussten. Als wir dann endlich ankamen, wurden wir mit Applaus und Umarmungen begrüßt, da Sie wohl gar nicht mehr damit gerechnet haben, dass wir überhaupt noch kommen. Wir haben dann extra “einen Zahn zugelegt”, um die Zeit wieder aufzuholen. Das Klinikpersonal hat nicht schlecht gestaunt, als sie von uns im Minutentakt “Next One Please” hörten.

Vieles passiert hier einfach im “African Style”: mit Ruhe und Gemütlichkeit. Das war zumindest mehr als einmal die Aussage von den Leuten selbst, wenn wir mal wieder warten mussten. Warten auf die Taxis, das Holen von Gegenständen oder das lang ersehnte Abendessen. Von dieser Einstellung, Dinge etwas gelassener zu nehmen, habe ich etwas nach Hause mitgenommen.

Das Hotel in Tsévié haben wir uns selbst ausgesucht. Wir waren in einer wunderschönen Parkanlage und haben dort jeden Abend gutes Essen und Wein genießen dürfen. Es war für mich das beste und auch authentischste afrikanische Essen während meines gesamten Aufenthaltes in Togo. Jeden Abend haben wir die Speisekarte rauf und runter bestellt und uns ein riesiges Buffet daraus gemacht. Die Zimmer waren sauber und hell. Die Dusche hat teilweise komische Geräusche von sich gegeben und die Temperatur konnte man auch nicht richtig einstellen, aber abgesehen davon, konnte man im Zimmer nächtigen – auf einer steinharten Matratze – manche mögen das ja, für mich war es eine ganz neue Erfahrung. Das Personal und der Besitzer des “Parc GMK Hotel” waren überaus freundlich und haben uns sogar ihren WLAN-Router zur Verfügung gestellt. Das Frühstück hier war im Vergleich zum Abendessen eher dürftig: getoastetes, trockenes Baguette mit Butter und Marmelade. Auf Wunsch konnte man sich aber auch ein Omelett bestellen. Das scheint aber in Togo normal zu sein und hat letzten Endes als Grundlage für den Arbeitstag dann auch irgendwie (nicht) gereicht.

Das Krankenhaus in Tsévié

Ein Behandlungszimmer in Tsévié

3. Einsatzort Aného

Das Krankenhaus in Aného war ganz nett anzusehen. Kleine Gärten und mehrere Gebäude, eine kleine Mensa und direkt daneben eine Kochstelle für die Patienten unter freiem Himmel. Kein typisches Klinik-Ambiente wie in Tsévié. Das Personal war sehr engagiert und hat sich sehr um die Patientenaufnahme und Instrumentenaufbereitung gekümmert.

Ein großer Raum, ausgestattet mit drei Behandlungsliegen, die man manuell verstellen konnte. Und das erste Mal waren hier auch Assistenzstühle zu finden. Für jede Assistenz und für jeden Zahnarzt einen eigenen! Toll! In der Mitte und an der Seite des Raumes, jeweils ein riesiger Tisch, um alle Materialien und Instrumente auszubreiten. Der Raum war auch hier klimatisiert.

Die Absauganlagen haben überwiegend gut funktioniert. Die Behandlungseinheiten waren aber ebenfalls kaum ausreichend und störanfällig. Wir haben immer wieder untereinander die Stühle getauscht, je nachdem, wie es für die Behandlung nötig war. Am vorletzten Tag fiel dann eine Behandlungseinheit komplett aus.

Die Schweizer Einheit war super, vor allem das Ultraschallgerät funktionierte hier sehr gut, so dass ich sogar ein paar Zahnreinigungen mit einem piezoelektrischen Gerät von EMS machen konnte. Für mich als Prophylaxe-Fachkraft ein Träumchen. Wir haben von ca. 9 Uhr bis 16 Uhr – ohne große Pause – behandelt. Am Donnerstagnachmittag haben wir dann alles wieder zusammengepackt, auch hier hat der Dolmetscher des Krankenhauses wieder fleißig mit angepackt.

Das Behandlungszimmer im Krankenhaus Aného

Behandlungsstuhl & Einheit in Aného

Untergebracht waren wir in Aného im “Oasis Hotel”, das direkt am Fluss liegt. Die Zimmer sind zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber es war sauber und ausreichend eingerichtet, auch mit steinharter Matratze. Diese habe ich mittlerweile lieben gelernt. Das Restaurant und das Ambiente direkt am Strand waren toll. Der Besitzer Nick hat uns jeden Morgen mit seinem Tuktuk zur Arbeit gefahren.

Am Nachmittag hat er uns immer ein sehr schönes und interessantes Programm geboten, wie z.B. eine wunderschöne Bootsfahrt, wo für mich das erste Mal Afrika-Feeling aufkam, so wie ich es mir vorgestellt hatte und bisher vermisst hatte, nämlich richtig schöne Natur. Bisher habe ich vor allem staubige Straßen mit vielen Autos und Motorrädern gesehen. Dann ein Besuch in der Destillerie, wo wir leckeren Palmschnaps probieren durften und im Anschluss ein Besuch im Voodoo-Tempel. Dort hat jeder von uns an einer Zeremonie teilgenommen, ein sehr spannendes Erlebnis. Nick ist nämlich nicht nur Hotelbesitzer, Tuktuk-Fahrer, Ehemann einer bekannten Sängerin aus Togo und Bootstour-Guide, sondern auch Voodoo-Priester.

Bootsfahrt in Aného

Bootsfahrt in Aného

Auch das Essen im Hotel war sehr gut. Am ersten Abend mussten wir natürlich Fish & Chips probieren. Nick ist nämlich Engländer und wirbt mit einer großen Tafel vor dem Hotel mit Fish & Chips. Der Palmenherzen-Hummus und das Fischcurry waren auch superlecker. Nick fängt übrigens auch gern mal selbst riesige Fische im Fluss – mit seinen bloßen Händen!

Ich liebe Gin-Tonic. Gin zu bekommen ist kein Problem, aber bei Tonic sieht es dann ganz anders aus. Das hat etwas mit der Produktion des Coca-Cola Konzern im Land zu tun. Original Coca-Cola-Produkte gibt es hier nicht mehr, wenn doch, kommen sie mit großer Wahrscheinlichkeit aus Ghana. Als ich ein Geschäft gefunden hatte, das Tonic verkauft hat, habe ich direkt mehrere Flaschen gekauft und habe dann mit Nick einen kleinen Deal gemacht: Free Gin-Tonic for me!

Am letzten Freitag besuchten wir eine Schule in Aného. Dort habe ich ein kleines Zahnputztraining für die Kinder vorgeführt und alle waren eifrig dabei, mich nachzuahmen und die Putzbewegung gründlich auszuführen. Anschließend wurde viel gesungen und ein kleines Mädchen gab uns einen wunderschönen Blumenstrauß als Dankeschön. Von uns gab es jede Menge Seifenblasen als Geschenk und das Ballspiel als Dank für die Einladung. Die Kinder haben sich sehr darüber gefreut. Vor allem als wir gerade dabei waren, das Gelände zu verlassen, sind Sie auf die Spielsachen gestürmt. Als wir noch anwesend waren, schienen sie eher zurückhaltend.

Unser Team mit den Schulkindern in Aného

Resümee

Fast 400 Extraktionen, über 200 Füllungen und circa 30 Parodontal-Behandlungen haben wir mit drei Zahnärzten und drei zahnmedizinischen Fachangestellten hinter uns gebracht. Vor den hygienischen Umständen muss man hier teilweise ganz fest die Augen verschließen – kaum zu vergleichen mit den Anforderungen, die in Deutschland herrschen.

Zu uns kamen natürlich Menschen mit Zahnproblemen. Die Zähne brachen häufig während der Extraktionen ab, denn sie waren morsch und saßen teilweise bombenfest im Kieferknochen. Kaum ein Spalt war vorhanden, um den Hebel richtig anzusetzen, es schien als wären die Zähne nahtlos mit dem Kieferknochen verwachsen und ein operativer Eingriff war nötig, der sich aufgrund des Instrumentariums teilweise sehr schwierig gestaltet hat. Die Zahnärzte haben hier richtige Muskelkraft und gute Technik bewiesen. Zahnstein und Konkremente haften ebenfalls fest am Zahn. Ich habe lange Zeit in einer Universitätsklinik gearbeitet und habe viele extreme Fälle gesehen, aber hier hat sich nochmal ein ganz neues, interessantes Arbeitsfeld aufgetan. Wäre genug Zeit gewesen, hätte ich gern viel mehr Mundhygiene Instruktionen gegeben und prophylaktisch gearbeitet.  Aber es ging bei unserem Einsatz natürlich darum, die Menschen von Zahnschmerzen zu befreien, weil sie sich einen Besuch beim Zahnarzt nicht leisten können. Es gab aber auch immer mal wieder Patienten mit erstaunlich gutem Gebiss bis ins hohe Alter.

Die Zeit in Togo hat unglaublich viel Spaß gemacht. Es war zwar anstrengend, aber bis auf ein paar kurzzeitige gesundheitliche Magen- und Darmprobleme (Gruß geht raus an die Grüne Chilipaste), eine tolle Zeit!

Der Einsatz hat sich für mich persönlich auf jeden Fall gelohnt. Ich würde es jederzeit nochmal machen und freue mich schon auf den nächsten Einsatz.

Wer darüber nachdenkt, so einen Einsatz selber mal mitzumachen – macht es! Es war wirklich eine einzigartige Erfahrung. Man lernt viele selbstverständliche Dinge (sowohl am Arbeitsplatz wie z.B. eine funktionierende Absauganlage und sortierte Schubladen, als auch privat, wie der Wasserhahn mit Trinkwasser) nochmal auf eine ganz andere Art und Weise zu schätzen.

Vielen Dank an dieser Stelle an meine super Teammitglieder: Till, Mandy, Judith, Sandy und Julia. Ich hätte mir kein besseres Team vorstellen können, mit euch jederzeit wieder!

… und vielen Dank an die Schildkröte im Meer, dass du dich mal kurz gezeigt hast.

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