von Christine Grambow

Wer in dieses Land einreist, sollte sich vorab auch nochmal mit der Kolonialzeit vertraut machen, aber nicht nur geschichtlich hat Namibia viel zu bieten.

Das Land ist von extremen, unendlich erscheinenden Sandlandschaften und die bis zum Horizont reichenden, bizarren Felsformationen, die schroff und erhaben gegen den Himmel ragen, gekennzeichnet. Ein Diamant für Forscher. Wasser ist ein kostbares Gut – welches selten im Überfluss vorhanden ist, in einem Land, wo es seit mehr als sechs Jahren nicht mehr richtig geregnet hat. Der Orange River ist einer der wenigen Wasserflüsse, die ganzjährig fließen. Es herrscht Dürre, wo Mensch und Tier sich damit arrangieren müssen. In unserem Einsatzgebiet an der Grenze zu Südafrika könnte der Wohlstandsunterschied nicht größer sein, wo Tourismus und die Armut sich begegnen.  Wir wohnten in einer schönen Unterkunft, nicht weit weg vom Township mit einfachsten Strohhüten und Mangel an fast allem.

Aber gehen wir zum Anfang unserer Reise: Für mich ist dies mein erster Einsatz für Zahnärzte ohne Grenzen und eine Erfahrungsreise in jeder Hinsicht.  Wir haben viele liebe Menschen kenngelernt.

Frau Dr. Antje Grocholl, in deren Praxis ich arbeite, hat nach ihrem Studium bei einem Einsatz in Simbabwe Afrika lieben gelernt und war seitdem für DWLF schon mehrmals in Afrika im Einsatz.

Frau Dr. Regina Schmidt hat ihre langjährige Berufserfahrung mit ins Team eingebracht. Und unsere Phila Möller sollte mir in der Behandlungsassistenz beiseite stehen. Leider ist sie kurz vor dem Abflug an einer schweren Mittelohrentzündung erkrankt, sodass sie nicht mitfliegen konnte.

So bestand unser Team nun aus drei Personen:

  • Fr. Dr. Antje Grocholl (GL),
  • Fr. Dr. Regina Schmidt,
  • Fr. Christine Grambow .

Unser Reisebeginn erfolgte anfangs sehr holprig. Es gab Schwierigkeiten mit der Beantragung unserer Arbeitserlaubnisse. Am Flughafen Frankfurt/Main haben wir fast unseren Anschlussflug verpasst, beim Einreisen mussten Antje und Regina ihre Reisepässe abgeben, damit vom Ministerium das Arbeitsvisum ausgestellt werden konnte.  Dann fehlte auch noch ein Koffer, in dem meine persönliche Kleidung, Medikamente und Schutzausrüstung sowie Arbeitsmaterialien enthalten waren. Der Koffer kam auch in diesen zwei Wochen nicht nach. Am meisten haben uns die Stirnlampen und mir meine Kleidung gefehlt. Antje und Regina halfen aus, so gut sie konnten.

Max Beyer, verantwortlicher Projektleiter für Namibia, war so nett und hat uns am Flughafen bei den ersten notwendigen Erledigungen vor Ort, gemeinsam mit seiner Frau, sehr geholfen.

Danach ging es mit dem Auto endlich auf die Straße, Richtung Mariental. Wir kamen kurz vor der Dunkelheit an und haben bei einem leckeren Abendbrot erstmal die vielen Reiseerlebnisse Revue passieren lassen.

Am nächsten Morgen konnten wir uns bei einem kurzen Game Drive einen ersten Eindruck von der weitreichenden Sandsteppe und von deren Bewohnern verschaffen.

Anschließend setzten wir unseren Weg gen Süden fort. Wir hatten viel Zeit uns als Dreierteam kennenzulernen und die unendliche Weite des Landes sowie ihre spärliche Vegetation zu bestaunen. Besonders eindrucksvoll und ein schönes Fotomotiv sind die Köcherbäume.

In Keetmanshoop merkten wir, wie sandig unsere Koffer waren, durch eine kaputte Heckklappe. So besorgten wir uns erstmal einen Handfeger, ein wichtiges Reiseutensil. Am selben Abend war unser erstes Zusammentreffen mit Dr. Rachel Nangolo. Wir besprachen die Einzelheiten unseres Einsatzes in Aussenkehr.

Am Montag, um 8.00 Uhr, fuhren wir ins Hospital von Keetmanshoop, lernten die dortige Zahnstation kennen und stellten bei einem internen Meeting aller Ärzte im Krankenhaus uns und unser Vorhaben vor. Dann wurden alle Arbeitsmittel (Behandlungsstühle, Kisten mit den Verbrauchsmaterialien, Instrumente und die mobilen Dentaleinheiten) ins Auto verpackt und wir fuhren wieder viele weitere Stunden gen Süden. Namibia ist unendlich weit, leer und überraschte uns trotzdem mit seiner, plötzlich wie aus dem Nichts auftauchenden Tierwelt. Zebras, Steinböcke, Affen, Strauße und vereinzelt sogar Oryx-Antilopen sahen wir unterwegs.

Angekommen in unserem Einsatzort Aussenkehr, überraschte uns der Kontrast, nach stundenlangem Grau auf einmal das Grün der Weinreben. Auf Farmen entlang des Oranje-Rivers werden Tafeltrauben für Europa produziert (größtes Tafelweintraubenanbaugebiet der südlichen Hemisphäre). Hier wird viel Wasser verbraucht, welches den Menschen, die hier leben, fehlt und aus Tankwagen in den Townships abgegeben wird.

Wirklich sprachlos und betroffen haben uns die Unterkünfte und die Lebensbedingungen der bis zu 20.000 Farmarbeiter und -arbeiterinnen gemacht. Sie leben in einfachsten Hütten mitten in der Steinwüste; Hitze, Wind und Kälte ausgesetzt, kein fließendes Wasser, schlechte hygienische Bedingungen. Die Gemeinschaftstoiletten bestehen lediglich aus einer Strohumrandung als Sichtschutz und haben ein Loch in der Erde. – Erschütternd!

Die häufigsten Krankheiten in dieser Region sind HIV und Durchfallerkrankungen. An unserem Ankunftstag war gerade ein Baby an Diarrhö gestorben.

Durch den täglichen Patientenkontakt waren wir schnell vor Ort bekannt und trauten uns bald durch das Township zu gehen, um Tomaten zu kaufen, eine Kirche und einen Kindergarten zu besuchen oder um einem traditionellen Healer (engl. Heiler) bei seiner Arbeit zuzusehen.

Im Armenviertel waren wir oft von Kindern umringt. Viele von ihnen waren barfuß. Den Eltern fehlt einfach oft das Geld. Unsere Mitbringsel (Luftballons, Seifenblasen, Fußbälle) sind wir immer reißend losgeworden. Tief beeindruckt waren wir von so viel Dankbarkeit, Fröhlichkeit, Herzlichkeit und der offenen Art und Weise der Menschen hier.

Dies war unser Einsatzteam auf einem Blick. Courie und Magdalena, mittlerweile im Ruhestand, organisierten den Patientenandrang.  Aletta arbeitet sonst als Assistentin bei einem Zahnarzt in ihrem Heimatort in Karasburg. Sie haben uns in der Vor- und Nachbereitung der Instrumente geholfen.  Zu dem Zahnärzteteam gehörten außerdem noch Frau Dr. Rachel Nangulo und Jonas (ein Zahnmedizinstudent 5. Studienjahr).

In Aussenkehr gibt es ein kleines Hospital – welches aktuell von fünf Krankenschwestern geleitet wird. Lediglich zweimal im Monat kommt ein Arzt zur Konsultation. Hier erfolgen Impfungen, Behandlung von Durchfallerkrankungen, Erkältungen, Corona, Therapie von Unfällen, Schlangenbissen, Behandlung von TBC, HIV und manchmal auch Geburten.

Unsere provisorischen Behandlungsräume dienen sonst als Lagerraum, diese haben die drei Frauen für unser Einsatzteam in einen Behandlungsraum mit drei Behandlungsstühlen umgestaltet.

Es warteten jeden Tag weit mehr Patienten vor dem Hospital, als wir behandeln konnten. Diese standen Stunden bei teilweise über 40° C geduldig draußen und warteten bis sie aufgerufen wurden.

Das Arbeiten entsprach keinesfalls dem, was wir in Deutschland gewohnt sind: Wir hatten wenig Instrumentarium, konnten Karies nur bedingt behandeln, in der Hitze verflüssigte sich der Kunststoff und ließ sich nicht ordentlich verarbeiten, wir hatten kein ausreichendes Licht. Dennoch: „Challange accepted“ (Herausforderung angenommen), frei nach dem Motto: „Jetzt erst recht!“

Wir haben uns schnell als Team zusammengefunden, eine Art Routine geschaffen, viele Zähne gezogen, einige Füllungen gelegt. Besonders im Frontzahnbereich konnten wir sehr überzeugen. Sodass die Nachfrage danach stieg.

Um ein Wechseln der von uns mitgebrachten Handschuhe möglich zu machen, trugen wir die Handschuhe immer doppelt übereinander. Leider sind die chinesischen, sonst als sehr robust bekannten Behandlungseinheiten in kurzer Zeit hitzebedingt ausgefallen. So haben wir dann doch häufig viel extrahiert.

Im Gegensatz zu unseren afrikanischen Kollegen, die sich mit dem Zähneziehen abwechselten, legten wir trotzdem auch – so gut es ging – Füllungen und bekamen oft ein strahlendes Lächeln zurück.

Die Arbeit geht nie aus – es waren immer wieder so viele neue Patienten da. „Unsere Klinik“ wurde für die zweite Woche nach Noordoewer, 50 km flussaufwärts, verlegt. Hierzu haben wir alles verpackt, verladen und dann im Krankenhaus des Ortes wieder aufgebaut.

Am ersten Arbeitstag waren wir in der Grundschule der Arbeitersiedlung angemeldet. Was war das für ein fröhlicher Empfang durch die Kinder! Alle bedrängten uns mit Fragen und wollten unsere Namen wissen oder uns anfassen. Diese Offenheit ist für uns einfach überwältigend gewesen.

Bei der Reihenuntersuchung von preschool bis Grad 3 – 200 Schüler – haben wir leider nur wenige Kinder ohne Karies und häufig mit Zahnschmerzen gesehen, (Cookies und Sweeties sei Dank!). Auf Holzspaten notierten wir die zu behandelnden Zähne, damit sie dann mit ihren Eltern oder Lehrern an den Folgetagen zur Behandlung kommen. Auch hier hatten wir nicht mit einem so großen Andrang gerechnet. – Leider ist der Zuckerkonsum hier sehr ausgeprägt und damit waren nur sehr wenige Kinde kariesfrei.

Wir haben gelernt: schwierige Situationen begegnet man am besten mit einem herzlichen Lachen. Wir hatten in der gesamten Zeit zwei Reifenplatzer, wobei wir stets sehr schnell Hilfe angeboten bekamen.

Wir nehmen die lebensfrohe Art der namibischen Bevölkerung im Herzen mit nach Hause. Und es wird bestimmt nicht unser letzter Einsatz für DWLF sein. Aber auf jeden Fall bleibt uns die schöne gemeinsame Zeit mit einigen Herausforderungen für immer in unserer Erinnerung.

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