von Dr. Lena Reichert und Dr. Sarah Weissenberger

Unser Einsatzteam im September für Togo bestand aus sieben Zahnärzten und vier zahnmedizinischen Helferinnen. Einige haben sich schon in Deutschland, am Flughafen kennen gelernt, andere erst in Togo. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, weil nur neun von elf Koffern den Weg von Paris nach Togo gefunden haben, wurden wir gemeinsam von einem Fahrer zu unserer ersten Unterkunft gebracht. Hier begann dann unsere gemeinsame Reise im Westen Afrikas.

Unser Team:

  • Stephan Olek (GL)
  • Dr. med. dent Frank Würfel 
  • Theresa Würfel 
  • Dr. med. dent Lena Reichert 
  • Dr. med. dent Sarah Weissenberger 
  • Mandy Hölzel 

Wir lernten unseren Ansprechpartner vor Ort, Aimé, kennen und bekamen eine erste Vorstellung was uns die nächsten Wochen erwarten wird: das elfköpfige Team wurde in zwei Untergruppen aufgeteilt (fünf Personen vs. sechs Personen). In Akepe sollten in der ersten Woche Stephan, Lena und Sarah behandeln. Festus, Theresa und Mandy dagegen in Assahoun und in der 2. Woche sollten wir dann mit dem anderen Team tauschen, welches vorher den Standort in Aného besetzte.

Vor unserem Arbeitsstart am Montag konnten wir die ersten zwei Tage nutzen, um in die westafrikanische Kultur einzutauchen und die Mentalität kennenzulernen. Wir erkundeten die Hauptstadt Lomé mit seinem großen Markt, nahmen an einer typisch afrikanischen Geburtstagsfeier teil, bekamen eine Führung auf dem Voodoo-Markt und lernten auch einen Voodoo-Priester kennen. Wie sich herausstellte ist Togo ein katholisch-muslimisch geprägtes Land. Die meisten Einwohner gehören dabei aber nicht nur einer Religion an, sondern mehrerer Glaubensrichtungen (z.B. katholisch + Voodoo). Tourismus gibt es in Togo fast keinen. Weshalb wir als europäisch aussehende Gruppe immer aufgefallen sind. Natürlich machte sich das auch beim Verhandeln von Taxipreisen etc. bemerkbar, was nicht immer zu unserem Vorteil ausfiel. In unserer Gruppe sprach keiner fließend Französisch: Stephan beherrschte zum Glück ein paar Worte und so konnten wir uns einigermaßen verständigen. Französischkenntnisse wären also definitiv von Vorteil.

Die ersten Tage wurden aber auch dafür genutzt, sich erst einmal an die extrem hohe Luftfeuchtigkeit und das andersartige Essen zu gewöhnen. Es empfehlen sich ein Moskitonetz, Malaria Prophylaxe, Gelbfieberimpfung und evtl. die präventive Einnahme von Perenterol .

Am Montagmorgen wurden wir dann zu unserem Einsatzort in Akepe/Assahoun gebracht. Während das „Wartezimmer“ schon komplett voll war, bauten wir das Nötigste auf (sprich Zangen, Hebel und Co. wurden sortiert und die mobilen Einheiten/Absauganlagen an den Strom angeschlossen). Um das Vorhandensein aller Materialien zu gewährleisten können wir genaue Absprachen im Vorhinein zum Mitbringen noch fehlender Verbrauchsmaterialien empfehlen.

In Akepe muss man sich den Behandlungsort als eine Art Lodge vorstellen. Es gibt eine Bühne, auf welcher die Instrumente liegen und der Behandlungsstuhl steht. Unterhalb der Bühne stehen Bänke, auf denen die Patienten warten. Das Ganze ist überdacht, aber Klimaanlage und andere Annehmlichkeiten sind hier nicht vorhanden. Ab und zu laufen auch Hühner unter dem Behandlungsstuhl durch. Bei Regen muss die Behandlung unterbrochen werden, da der Patient auf seinem Stuhl andernfalls komplett nass wird. Mit Stromausfall ist dann auf jeden Fall auch zu rechnen.

In Assahoun sind zwei Behandlungsliegen mit Einheiten, Klimaanlage und ein separates Wartezimmer vorhanden. In allen Einsatzorten wird das „Stern“ von Mitarbeitern der jeweiligen Einrichtung betrieben.

Während der Behandlungszeit versuchten wir in allen Einsatzorten so viele Patienten wie möglich zu parallelisieren. Daher fanden die Untersuchungen, Anästhesien, einfache Extraktionen zumeist auf normalen Plastikstühlen statt. Nur die „Spezialfälle“ (abgebrochene Wurzelspitzen, Füllungen, Zahnsteinentfernungen, Abszess-Inzisionen usw.) durften auf den „guten Behandlungsstuhl“. Schnell wurde uns klar, dass der westafrikanische Knochen von einem ganz anderen Kaliber ist als unser gewohnter europäische Knochen. Auch die Ärzte, welche schon zahnmedizinische Hilfseinsätze in Ostafrika durchgeführt hatten, waren von der Härte des togolesischen Knochens überrascht. D.h. wir mussten unsere Armmuskeln spielen lassen, wobei auch die eine oder andere Lindemann-Fräse dran glauben musste.

Da es in Togo so gut wie keine Zahnärzte gibt und für sehr viele Patienten schlichtweg die Kosten für eine Behandlung nicht aufzubringen sind, haben wir uns entschieden bei den Patienten erst einmal Schmerzbehandlungen durchzuführen, wenn dann noch Zeit ist, wird auch der behandlungsbedürftige Rest noch erledigt. Uns wurden Übersetzer zur Verfügung gestellt, die dann von Ewi ins Deutsche/Englische übersetzt hatten, sodass eine ordentliche Kommunikation mit Patienten möglich war. So behandelten wir 30-65 Patienten pro Tag.

Nach einem erfolgreichen Behandlungstag (meist von 8.30-15.30 Uhr) ging es dann mit einem Fahrer einmal quer durch den Busch bis zu unserer Unterkunft. Die Unterkunft in Akepe/Assahoun ist sehr rudimentär. Hygienetechnisch entspricht sie absolut nicht unserem Standard: Flöhe, Kakerlaken, Mäuse und Co. gehören hier mit dazu. Es gibt nur einen Wasserhahn zum Aufdrehen (Warmwasser: Fehlanzeige) und das W-LAN reicht alle Lichtjahre, um WhatsApp-Nachrichten zu versenden. Wenn man aus der Unterkunft hinaustritt, erlebt man allerdings das pure Afrika: Frauen kochen auf dem offenen Feuer, auf dem Markt bekommt man alles von Obst bis Badeschlappen und es erwarten einen viele unterschiedliche Gerüche (vom verbrannten Plastik bis zum lecker gebratenem Hühnchen/Fisch).

Nach der ersten Behandlungswoche entschieden wir uns als Gruppe am Wochenende einen Ausflug in den Dschungel von Kpalimé zu machen und die bekannten Wasserfälle zu besichtigen. Wenn man in Togo einen großen Wagen für sechs Personen bestellt, wird ein kleiner Opel-Fünf-Sitzer geschickt in dem man dann zu siebt Platz nehmen muss. Das scheint hier normal zu sein. Polizeikontrollen gehören hier zum täglich Brot, aber mit ein bisschen Schmiergeld geht die wilde Reise dann weiter.

Cave: Man sollte nicht aus dem Auto heraus filmen, wenn die Polizei in der Nähe ist. Uns wurde daraufhin das Handy abgenommen. Zum Glück hatten wir aber einen alten Polizei-Sheriff als Fahrer dabei, der das Ganze wieder für uns geregelt hat.

Die Wasserfälle und der Dschungel sind auf jeden Fall einen Besuch wert. Auch der Besuch in einem typischen Fou-Fou-Restaurant ist ein absolutes Muss. In unserem Hotel konnten wir zudem hautnah miterleben, wie die einheimische Mittelschicht Partys schmeißt: jeden Samstag gibt es hier eine Poolparty mit extrem lauter Musik und natürlich einer Menge Alkohol. Als junge Frauen sollte man jedoch nicht ohne Begleitung hingehen: Weiße Frauen sind ein begehrtes Gut.

Den Sonntagabend nach unserem Ausflug haben wir gemeinsam mit dem Team aus Aného wieder in unserer ersten Unterkunft verbracht und ein „Teammeeting“ abgehalten. Hier wurden die komplizierten Fälle besprochen, die auch in der nächsten Woche weiter zu behandeln waren und was an den jeweiligen Einsatzorten genau zu beachten ist.

So ging es dann Montagmorgen in die entgegengesetzte Richtung nach Aného für uns weiter. Wir bekamen ein wiederum anderes Behandlungsambiente zu Gesicht. In einem großen Raum mit drei Behandlungsliegen, mehr oder weniger funktionierenden Behandlungseinheiten und Absauganlagen. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme ging es auch hier wieder direkt zur Sache und wir spielten uns diesmal in dem nicht mehr nur dreiköpfigen Teams, sondern nun sechsköpfigen Team ein. Es stellte sich heraus, dass die Klinik, in der wir behandeln, sehr wohl eine eigene zahnmedizinische Abteilung mit Röntgen etc. besitzt, aber tatsächlich gibt es überall technische Mängel, weshalb dort nicht gut gearbeitet werden kann. Die Oral Health Worker vor Ort erklärten uns auch, dass sie die Behandlungen schon durchführen könnten, aber die Patienten nicht genügend finanzielle Ressourcen dafür besitzen und sich daher nur kostenlos von uns behandeln lassen wollen.

Außergewöhnlich viele „Spezialfälle“, die eigentlich einer MKG-chirurgischen Behandlung benötigen, bekamen wir in Aného zu Gesicht (große Zysten, die den gesamten UK einnehmen, submandibuläre Logenabszesse, Brüche, Abszesse bis zum Pusaustritt aus dem Auge etc.). Bei solchen Fällen kann die Abteilung der Stomatologie des Tokoin Hospital mit ihren MKG-Chirurgen in Lomé weiterhelfen, allerdings fallen hier für den Patienten dann Kosten an. Im Falle einer Nadelstichverletzung können die Patienten rlativ unkompliziert im Hospital zur Blutuntersuchung bezüglich HIV und Hepatitis gebracht werden.

Die Unterkunft in Aného befindet sich direkt am Togo-See, in welchem wir auch einen Bootsausflug in den Sonnenuntergang gemacht haben. Das Ambiente und Essen waren sehr gut: hier ließ sich der Feierabend auf jeden Fall genießen. Man kann hier sogar zu Fuß zum Hospital gehen.

Zum krönenden Abschluss haben wir am freitags dann noch eine Schule in Aného besucht und den verschieden Klassenstufen Zahnputzinstruktionen gegeben. Die Kinder schienen schon recht gut aufgeklärt aber haben sich trotzdem sichtlich über die mitgebrachten Zahnbürsten und Plüschtiere gefreut.

Im Anschluss wurden wir von dem hiesigen Bürgermeister auf ein togolesisches Mittagessen eingeladen und danach ging es dann wieder in die Hauptstadt nach Lomé, um die gemeinsame Zeit mit beiden Teams gemeinsam bei einem Diskobesuch ausklingen zu lassen.

Alles in Allem war der Einsatz in Togo mit Zahnärzte ohne Grenzen eine einmalige Erfahrung. Trotz vieler Ups and Downs wollen wir diese nicht missen und freuen uns auf weitere zahnmedizinische Hilfseinsätze im Ausland!

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