von Lea Hallbauer (E-Mail: lea.hallbauer95 [at] web.de)
2024 sah ich einen Beitrag einer Kommilitonin auf Instagram zu einem ehrenamtlichen Einsatz auf den Kapverden. Gutes tun, anderen helfen und dabei noch das berufliche Können stärken. Das klang genau nach meinem Geschmack! Diese Kombination aus Beruf, persönlichem Engagement und Fernweh machte die Entscheidung leicht, mich bei DWLF zu melden. Gesagt, getan – alles verlief ganz unkompliziert. Ich habe meinen Wunscheinsatz mitgeteilt, alle Unterlagen eingereicht und kurz darauf hatte ich auch schon die Zusage für das Abenteuer.
In einer WhatsApp-Gruppe der Teilnehmer und Organisatoren wurde vorab bereits vieles besprochen. Die erfahrenen Kollegen empfahlen Flugverbindungen und auch eine Unterkunft. So buchten wir uns alle in das gleiche Gästehaus ein, welches sich schon über die letzten Jahre als empfehlenswert herausgestellt hatte. Weiterhin wurde noch einmal an das Visum erinnert. Durch die gute Organisation und Absprachen konnte gar keine Nervosität aufkommen.
In meinem Gepäck fanden neben Klinikkleidung und Strandoutfits auch diverse Zahnbürsten, Mundspiegel und Anästhesie Platz, welche im Vorfeld als fehlend gemeldet und mir für den Einsatz zugeschickt wurden. Die Vorbereitung war gut und ließ uns mit Vorfreude und Zuversicht starten.
Am Flughafen in Frankfurt traf ich bereits auf Antonia und unsere gemeinsame Reise nach Praia konnte starten. Die beiden anderen Zahnärzte waren schon vor Ort und so nahm uns Thomas trotz einer Ankunftszeit von 02:15 Uhr in der Nacht in der Unterkunft herzlich in Empfang.
Wir hatten uns etwas verspätet, denn die Kapverdier nahmen ihr Motto „No Stress“ wörtlich und so mussten wir fast anderthalb Stunden am Flughafen in Praia auf unser Gepäck warten. Die späte Ankunft ermüdete, doch die freundliche Begrüßung und die ersten Eindrücke ließen die Müdigkeit schnell vergessen. Wir lernten uns am Anreisewochenende schnell kennen. Unterschiedlicher hätten wir vier Einsatzteilnehmer wohl nicht sein können.
Und das war unser Team:
- Dr. Erwin Fessler (AD/GL)
- Dr. Thomas Czekalla (AD)
- ZÄ Lea Hallbauer (ADH)
- ZÄ Antonia Höpker (ADH)
Erwin, unser Gruppenleiter, Zahnarzt im Ruhestand aus Baden-Württemberg, Thomas, ein ehemaliger Zahnarzt aus Bayern, der zuletzt in Österreich mit eigener Praxis tätig war, Antonia aus Freiburg, die bald ihren Master in Kieferorthopädie machen möchte und ich, Lea, angestellte Zahnärztin in Thüringen, die soeben ihre Assistenzzeit beendet hatte. Diese Vielfalt sollte die Teamarbeit spannend machen und bot gleichzeitig eine wertvolle Gelegenheit für den fachlichen und persönlichen Austausch.
Am Montag wurden wir von unserem Fahrer des Gesundheitsministeriums zur Klinik gefahren und machten uns mit den mobilen Einheiten und verfügbaren Materialien vertraut. Vor uns war bereits eine Gruppe am gleichen Standort tätig, was bedeutete, dass alle Materialien und Instrumente bereits ausgepackt waren.
Der Behandlungsstuhl, falls man ihn so nennen konnte, war aufgebaut und alles war zum Arbeiten bereit. Dies erleichterte den Einstieg und zeigte, dass wir uns direkt auf die medizinische Arbeit konzentrieren konnten. Das eine oder andere kam einem bekannt vor, aber die Bedingungen waren keineswegs wie zu Hause.
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Es wurde schnell klar, dass wir flexibel sein und auch improvisieren mussten, um den Patienten bestmöglich zu helfen. Erst im Nachhinein wird einem bewusst, wie glücklich man sich um die Umstände in Deutschland schätzen kann, wie wichtig ergonomisches Arbeiten ist und wie einfach es an unseren gewohnten Einheiten umsetzbar ist. Man bekam schnell vor Augen geführt, dass eine ununterbrochene Behandlung eines Patienten woanders in der weiten Welt keinesfalls eine Selbstverständlichkeit ist. Hier musste man genau im Blick haben, wann das Wasser manuell an der Einheit aufgefüllt oder die Absaugung geleert werden musste. Diese Erkenntnis führte bei mir irgendwie zu einer neuen Wertschätzung unseres Berufes und der Arbeitsumgebung, die oft als selbstverständlich angesehen wird. Auch die Arbeit der zahnmedizinischen Fachangestellten rückt wieder einmal in den Fokus, denn oft waren wir unsere eigenen Helfer.
Trotz dieser Hindernisse hier machte uns das Arbeiten und die Freude und Dankbarkeit in den Gesichtern der Patienten zu sehen unheimlich viel Spaß. Jede Behandlung wurde so zu einem besonderen Erlebnis, nicht zuletzt durch die direkte Nähe und die Dankbarkeit der Menschen, die wir versorgten.
Die Securitydame der Klinik, Bella, regelte die Patientenverteilung. Sie war richtig auf Zack, erledigte quasi im Wartezimmer – was hier eigentlich ein Flur war – schon die halbe Anamnese und schickte uns die Patienten Schlag auf Schlag immer wieder in die Zimmer. Ihr Engagement und die gute Organisation halfen uns enorm, den oft großen Andrang zu bewältigen. Der Flur war stets voll besetzt.
Einige Patienten trafen wir mehrere Tage an, andere stellten ihre komplette Familie vor. Fertiggeworden sind wir natürlich nicht – der Bedarf war einfach zu hoch. Auch Angestellte aus der Klinik nahmen uns gern und dankbar in Anspruch. Viele Kinder haben wir behandeln dürfen, die wirklich einfach sehr tapfer waren. Leider ist es hier nicht möglich endodontische Behandlungen durchzuführen und durch viele Zuckerimpulse, sei es in Säften, Limonaden oder Lollis, müssen bei Kindern oft schon die 6-Jahres-Molaren entfernt werden, weil diese einfach zu stark zerstört waren. Das mussten wir leider sehr häufig sehen. Viele Patienten wünschen auch direkt das Entfernen des Zahnes, obwohl man diesen hätte mit einer Füllung erhalten können.
Dies macht deutlich, dass es nicht nur an Mundhygiene, Aufklärung zur Zahnpflege und Zahngesundheitsbewusstsein mangelt, sondern auch mehr Menschen über Ernährung aufgeklärt werden müssen. Wundinfektionen, Abszesse oder Parodontitis-Erkrankungen haben wir hingegen kaum bis gar nicht verzeichnen können. Auch bei größeren operativen Zahnentfernungen (unter keineswegs standardmäßig gewohnten Hygienebedingungen) konnten wir bei der Nahtentfernung sehr gute Wundverhältnisse feststellen.
Nachdem wir die erste Woche geschafft hatten, ging es am Wochenende mit der ganzen Gruppe nach Tarrafal in den Norden der Insel Santiago. Wir hatten uns das Auto vom Inhaber unserer Unterkunft geliehen und nach eineinhalbstündiger Fahrt durch die Berge und wüstenähnlichen Landschaften der Insel waren wir angekommen.
Hier besuchten wir Märkte, kauften das ein oder andere Souvenir für Zuhause, unternahmen eine zweistündige Wanderung zum hiesigen Leuchtturm, ließen die Abende mit Livemusik ausklingen oder entspannten einfach am Strand. Wäre der Wellengang entsprechend gewesen, hätte man sich auch im Surfen ausprobieren können. Leider war dies bei uns nicht der Fall.
Diese Ausflüge gaben uns die Möglichkeit, das Land und die Kultur besser kennenzulernen und neue Kraft zu tanken. Auch hier, hat uns besonders gut gefallen, dass die Einheimischen so herzlich sind, obwohl sie selbst so wenig haben. Das Essen mit frischem Fisch oder der einheimische Cachupa (ein Linsen-Bohneneintopf mit verschiedenen Gemüsesorten und wahlweise mit oder ohne Fleisch) waren besonders gut.
Die zweite Woche verlief ähnlich wie die erste. Wir hatten allerdings ein bisschen das Gefühl, dass sich nun überall herumgesprochen hatte, dass Zahnärzte vor Ort sind, denn die Patienten nahmen gefühlt kein Ende. Am Donnerstag waren wir nur noch zu dritt, da unser Gruppenleiter bereits abreisen musste, aber auch das gelang uns ausgesprochen gut. Wir waren mittlerweile prima eingespielt und kannten die Einheiten in- und auswendig. Unser letzter Behandlungstag endete damit, dass wir alles zusammenpacken und gut verstauen mussten, damit es die nächste Gruppe wieder leicht hat und alles schnell findet. Außerdem wurde noch einmal eine Inventur durchgeführt.
Am Freitag, dem letzten Arbeitstag, stand der Schulbesuch auf der Tagesordnung. Leider waren an diesem Tag überall Schulprüfungen, sodass wir stattdessen einen Kindergarten besuchten. Die Kinder freuten sich so sehr uns zu sehen, dass sie uns beim Hereinkommen direkt umarmten. Elisabeth, die hiesige Zahnärztin, hielt einen Vortrag zur Zahngesundheit und wir zeigten am Modell das richtige Zähneputzen. Am Ende gab es für die strahlenden und wirklich die komplette Zeit aufmerksam Elisabeths Worten lauschenden Kindern noch Zahnbürsten geschenkt. Auch die Erzieherinnen waren unheimlich dankbar. Was für ein schöner Abschluss der beiden Wochen.
Wir lieferten Elisabeth zu Hause ab und mussten feststellen, dass sie trotz überdurchschnittlichem Gehalt in einer sehr kargen und ärmlichen Region wohnte. Ihre Wohnsituation war für uns wohl unvorstellbar, obwohl sie doppelt so viel wie der durchschnittliche Einwohner hier verdient. Die Lebensmittelkosten sind hier leider auf Europaniveau und somit auch für hier gut bezahlte Einheimische, bei denen oft nur ein Partner Geld verdient, schwer zu bezahlen.
Insgesamt haben wir in den zwei Wochen, also in neun Tagen, in der Zahnklinik, mit jeweils fünf Stunden Behandlungszeit pro Tag und zwei Behandlungszimmern 266 Patienten untersucht. Dabei wurden 173 Extraktionen und 148 Füllungen durchgeführt. 38mal haben wir Zähne gereinigt. Dazu sind noch diverse eingeschliffene Prothesendruckstellen und trepanierte Milchzähne zu nennen.
Einen erneuten Einsatz mit DWLF wird es für mich auf jeden Fall geben. Freundlicherweise hat mich meine Chefin in Deutschland für den kompletten Einsatz bezahlt freigestellt. Ich finde es schön, wie dankbar die Menschen hier für die kleinsten Leistungen waren. Sei es das Einschleifen einer Druckstelle oder Entfernen einer Verfärbung/Reinigen der Zähne, obwohl die Baustellen doch viel größer waren. Die zahnmedizinische Versorgung war teilweise tatsächlich besser als erwartet oder die Erwartungen noch schlechter als der Zustand vor Ort. Es gibt einige Zahnärzte auf den kapverdischen Inseln. In fast allen Fällen sind jedoch zahnmedizinische Leistungen eine Privatleistung und die finanzielle Situation der meisten Bewohner so schlecht, dass sie sich keine Behandlungen leisten können.
Abschließend möchte ich betonen, dass dieser Einsatz eine überaus wertvolle Erfahrung war, die mich beruflich und persönlich sehr bereichert hat. Die Möglichkeit, so direkt und nachhaltig zu helfen, ist für jeden, der zahnmedizinisch tätig ist, eine besondere Chance. Die Arbeit im Team, die vielfältigen Begegnungen mit den Menschen vor Ort sowie die Herausforderungen und Erfolge während des Einsatzes haben diesen zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht, welches ich jederzeit wiederholen würde.
Ich kann nur allen empfehlen, sich auf so einen Einsatz einzulassen – die Erfahrungen und Eindrücke sind bereichernd und motivierend zugleich und man lernt seinen Arbeitsalltag wesentlich mehr zu schätzen.
Zahnärzte ohne Grenzen bittet um Unterstützung:
Altgoldsammeln für ein neues Kinderlächeln
Eine Bitte an geneigte Zahnärztinnen und Zahnärzte: Möchten Sie mit Ihrer Praxis Zahnärzte ohne Grenzen unterstützen und für uns – mit Einverständnis Ihrer Patienten – Altgold sammeln? Sie und Ihre Patienten unterstützen damit vor allem unsere zahnärztlichen Assistenzen und Zahntechniker, welchen wir aus dem Erlös Zuschüsse zu den Einsatzkosten gewähren können.
Wenn Sie uns unterstützen möchten, wenden Sie sich bitte an unseren Beauftragten für das Altgoldsammeln.