von Anke Lehmann-Fuchs

Dies ist meine 3. Reise für DWLF. Meine letzte Reise war vor über drei Jahren, in den Norden Namibias. Dann kam uns eine Pandemie dazwischen; Covid-19 regierte die Welt. Jedes Land war für sich, jeder hat sich abgeschottet, auch Namibia.

Nun sollte endlich, nach vier Jahren, ein deutsches Zahnarztteam wieder in den Süden Namibias, nach Aussenkehr, kommen.

Einsatz-Team vom 17. bis 28.07.2023

  • Dr. Stefan Rohr (GL)
  • ZÄin Ann Christin Klose 
  • Gabriele Klose (ADH)
  • Anke Lehmann-Fuchs (ADH)

Erstaunlich früh haben wir unsere Arbeitsvisa für Namibia bekommen, drei Wochen vor Abreise. Somit stand der Reise nichts mehr im Weg. Die letzten Tage waren voller Spannung: Ist das bestellte Material rechtzeitig da? Sind die Reiseunterlagen vollständig?Haben wir ausreichend Ausrüstung dabei: Anästhesie, Tupfer, Desinfektion, Schutzausrüstung wie Handschuhe und Masken? Die Koffer und Taschen werden gefühlt hundertmal umgeräumt, damit alles seinen Platz findet. Werden es alle Koffer, auch mein übergewichtiger Koffer, durch den Zoll schaffen? Fragen, die bald beantwortet werden.

Samstag früh, die Flieger sind in Windhoek gelandet. Unsere Arbeitsvisa haben für etwas Verwirrung gesorgt, auch wurden unsere Koffer gründlich gesichtet. Letztlich, haben wir unsere Koffer vollständig bekommen, die Pässe abgestempelt und wir konnten den Flughafen mit einem vollgestopften Mietauto verlassen. Die lange Fahrt (über 500 km) nach Keetmanshoop hat begonnen. Dort ist ein kurzes Treffen mit der zuständigen Zahnärztin der Karas-Region, Dr. Rachel Nangolo, geplant. Sie koordiniert unseren Einsatz im Süden Namibias, wählt die Orte aus, an denen wir behandeln werden.

Unseren ersten Zwischenhalt haben wir in der Nähe von Mariental gehabt. Wir gönnen uns noch eine kleine Auszeit. Die Lodge bietet zum Sundowner einen kleinen Game-Drive an, an dem wir teilnehmen. Belohnt wurden wir, mit einem wunderschönem Sonnenuntergang und einigen Tiersichtungen, wie Giraffen, Zebras und Springböcken. Kaum zu glauben, das wir 24 Stunden früher noch in Deutschland waren. Am nächsten Tag führt uns unsere Reise weiter in den Süden Namibias. Die Landschaft verändert sich immer mehr, wird weiter, offener, die Baumvegetation nimmt ab und wird von niedrigen Büschen ersetzt. Zur linken Seite der Straße werden wir eine lange Zeit von versteinerten Dünen begleitet. Ein faszinierender Anblick. Nach und nach werden auch die Büsche weniger, das Land gibt uns das Gefühl, dass es unendlich ist.

Als wir Keetmanshoop erreichen, ist es ca. 16 Uhr. Wir fahren noch zum Köcherbaumwald, um dort den Sonnenuntergang zu bestaunen. Das Licht und die besondere Form der Bäume, erinnern an eine mystische Welt. Am Morgen brechen wir zum Hospital auf. Dort treffen wir Dr. Nangolo. Stolz zeigt sie uns ihre Praxisräume und stellt uns ihr Team vor. Auch sehen wir das kleine Zahntechniker Labor. Auf einem Artikulator wartet eine Vollprothese auf Fertigstellung. Aus Materialmangel, kann dies allerdings noch ein wenig dauern.

Spontan werden wir eingeladen, am Montagsmeeting des Ministeriums von Keetmanshoop teilzunehmen. Dort lernen wir Ms. Sandra kennen, sie ist Director of Karas Region, Ministerpräsidenten der südlichen Region Namibias. Sie heißt uns herzlichen willkommen und wünscht uns viel Erfolg für die kommenden zwei Wochen. DWLF wurde vier Jahre schmerzlich vermisst.

Kurz danach geht unsere Fahrt in den Süden weiter. Bis Aussenkehr sind es noch weitere 300 km. Als wir uns der südafrikanischen Grenze nähern, gleicht die Landschaft einer Marslandschaft. Sand, Steine und Berge, soweit das Auge reicht, alles in unterschiedlichen Rot- und Brauntönen gehalten. Es gibt so gut wie keine natürliche Pflanzenwelt. Auf den künstlich, angelegten Weinanbaugebieten ruhen die Reben in Winterschlaf. Kaum zu glauben, dass hier in der Region über 10.000 Menschen leben sollen.

Als wir Aussenkehr am Montagnachmittag, nach über 800 km Autofahrt, erreichen, fahren wir zu erst zum Supermarkt. Wir benötigen Wasser für unsere mobilen Behandlungseinheiten. Entlang der Straße sehen wir Hütten aus Schilf und Blech. Darin leben die Einwohner von Aussenkehr. Ohne Strom, ohne fließend Wasser, ohne Heizung. Unser Einsatz findet im namibischen Winter statt. Die Nachttemperaturen sind knapp über Null Grad. Der Anblick überwältigt uns. Ständig die selbe Frage im Kopf: Wie kann man hier leben überleben?

Im Markt angekommen, kaufen wir das Wasser. Dann geht es direkt zur Klinik. Neben der Klinik, befindet sich ein kleines Gebäude, bestehend aus drei Zimmern und einer Toilette. Früher war es eine Poststation, für die nächsten Tage soll das unsere Zahnklinik sein. Ein Team aus namibischen Helferinnen baute vorab den größten Teil unseres zahnärztlichen Equipments aus Keetmanshoop auf. Coerie Haroldt Cremon, Aletta Vries und Magdalena Shalauda unterstützen DWLF seit längerer Zeit im Süden Namibias.

Wir packten unsere mitgebrachten Materialien aus, sortierten unseren Arbeitsbereich. Unser erster Arbeitstag hat begonnen. Wir schafften es in vier Stunden, über 40 Patienten zu behandeln. Die Gedanken, die man vor so einem Einsatz hat, werden schnell über Bord geworfen. Die Arbeitsweise die wir in Deutschland haben, ist nicht mehr existent, denn Hygienerichtlinien sind nur noch Richtlinien. Dank Hr. Sedlmair, von der Firma Kanidenta, haben wir die perfekte Instrumentendesinfektion. Die Reinigungssticks sind für die Flugreisen ideal und lassen sich sehr gut portionieren. Wir haben die Garantie, dass die benutzen Instrumente gründlich desinfiziert sind und nach der Reinigung, sterilisiert werden können. Gegen 20 Uhr machten wir Feierabend und fuhren in tiefster Dunkelheit zu unserer Unterkunft zurück.

Am nächsten Tag konnten wir pünktlich um 8 Uhr starten, alle Sachen waren auf ihren Platz. Das Team hat sich super schnell orientiert. Die Patienten warten mit großer Geduld vor der Klinik auf ihre Behandlung.

Wie läuft so eine Behandlung ab? Der Patient kommt zu uns, wir fragen ihn, welcher Zahn ihm Probleme bereitet. Meist sprechen wir englisch. Meistens wird dies auch verstanden und mit uns gesprochen. Oft kommt es auch vor, dass wir einen afrikanischen Dialekt hören. Unsere Helferinnen Aletta, Coerie und Magdalena (zwei Schwestern aus Karasburg und eine aus Aussenkehr) helfen uns dann mit der Übersetzung. Weiter geht es mit den Injektionen, die ersten fünf Patienten werden eingespritzt. Nacheinander kommen die Patienten wieder dran. Meistens müssen die Zähne gezogen werden, dazwischen legen wir immer wieder Füllungen.

Was positiv erwähnt werden muss, wir werden täglich gefragt, ob wir auch eine Zahnreinigung machen können. Für uns bedeutet das, dass das Bewusstsein für Zahngesundheit steigt. Die Arbeit vorangegangener Teams trägt Früchte. Ein Erfolgserlebnis für DWLF und eine Verbesserung für die Gesundheit der Bevölkerung.

Der erste volle Arbeitstag neigt sich dem Ende zu. Wir haben über 80 Zähne gezogen und 15 Füllungen gelegt. Ein paar Patienten mussten wir leider vertrösten, wir konnten keinen Zahnersatz machen. Da wir nur als Zahnarztteam da waren, ohne Labortechniker, konnten wir dies leider nicht anbieten. Wir versprachen aber, das nächstes Jahr, wieder Zahntechniker mitkommen werden. Ohne Murren wurde dies angenommen. Ich war total erstaunt wie entspannt die Menschen sind. In Deutschland bekommt man in der Praxis ganz anderes von Patienten zu hören.

Am nächsten Tag starten wir wieder voller Motivation, die ersten Patienten warten schon vor der Klinik auf uns. Die meisten in bunte Decken gehüllt. Das Thermometer am Auto sagt uns vier Grad an. Wir holen sofort die ersten Patienten in die kargen Räume. Schnell finden wir in unseren Arbeitsrhythmus, fünf Patienten anschauen, einspritzen und mit den ersten Behandlungen beginnen. So geht es eine Stunde um die andere, die Warteschlange bleibt kontinuierlich gleich lang. Mit Engelsgeduld warten die Menschen auf ihre Behandlung. Wieder ziehen wir an diesem Tag viele Zähne und Wurzelreste, vereinzelte Füllungen werden gemacht. Auch werden wir wieder nach Reinigungen gefragt. Diesen Satz werden wir täglich hören und es erfreut uns sehr.

Coerie, Aletta und Magdalena unterstützen uns mit voller Kraft. Reinigen und sterilisieren die Instrumente, helfen uns bei der Übersetzung, machen die nötigen Notizen in den Patientenpässen. Auch werden die Patienten vorab gecheckt. Es wird der Blutdruck gemessen, die Temperatur geprüft und das Körpergewicht notiert. Ebenfalls wird erfragt ob die Menschen etwas gegessen haben. Oft ist die Antwort: ich habe Milch getrunken. Wie erschreckend, keine feste Mahlzeit. Wenn die Patienten nichts gegessen haben, werden sie nicht behandelt. Das Risiko, dass der Kreislauf kollabiert, ist zu hoch. Oft bekommen die Patienten von den Schwestern 10 NAD zugesteckt, damit sie sich etwas Essen kaufen können. Dann findet die Behandlung statt.

Dienstag und Mittwoch laufen sehr ähnlich ab. Zahn um Zahn ziehen wir. Wir retten damit Leben. Oft hängen riesige Zysten an den Wurzelspitzen und der Eiter läuft heraus. Da es so wenig medizinische Unterstützung gibt, kommt es vor, dass die Menschen an einer Blutvergiftung sterben, wegen entzündeter Zähne. Für uns, in Deutschland, absolut nicht vorstellbar.

Der Mittwoch endet für uns nicht ganz einfach. Unser Team wird sich verkleinern. Dr. Stefan Rohr muss aus privaten Gründen am Donnerstagmorgen die Heimreise antreten. Die Teamleitung übernimmt Zahnärztin Ann Christin Klose. Für uns drei Mädels ist klar, wir machen weiter!

Schnell haben wir uns am Donnerstagmorgen neu orientiert und unseren Rhythmus gefunden. Gabi assistiert nun bei unserer namibischen Kollegin Dr. Rachel Nangolo, die Chefdentistin für Südnamibia. Sie und Zahnarzt Jonas, sind am Dienstag angereist, um uns mit zu unterstützen. Für Gabi eine tolle Erfahrung, da sie nun lernt, wie namibische Zahnärzte arbeiten. Ohne Sauger, ohne Stirnlampe werden Zähne gezogen und Füllungen gemacht. Für uns unvorstellbar, aber machbar.

Der Tag vergeht. Wir bekamen viele herzliche und dankbare Umarmungen. Viele erstaunte Blicke wie schmerzfrei eine Zahnentfernung sein kann. Die Zähne wurden hin und wieder mitgenommen, evtl. als kleine Trophäe oder für die “Maus”. In Namibia kommt nicht die Zahnfee, sondern die Zahnmaus und holt sich das Zähnchen. Für Ann Christin wird Zahnziehen zur Routine, oft feure ich sie an: ja den hast du, hol ihn dir. Die Zähne in Aussenkehr sind echt der Wahnsinn. Mit dem Knochen total verwachsen, wird aus Zahn ziehen/hebeln sehr oft eine kleine Operation. Die Wunden heilen aber sehr schnell. Der eine oder andere Patient sucht uns zweimal auf und wir können die Heilung bestaunen.

Der Freitag verlief ähnlich. Am Morgen haben wieder die ersten Patienten, in Decken gehüllt, in der Morgensonne auf uns gewartet. Wir stürzten uns in den Zahnextraktions-Marathon. Mittlerweile genügt ein Blick, ein Wort. Wir sind ein eingespieltes Team. Lang… kurz… breit.. schmal… oben oder unten? Mehr muss nicht gefragt und beantwortet werden.

Die erste Woche geht zu Ende. Das Wochenende verbringen wir im Fish River Canyon. Die Stille an diesem Ort hat uns umgehauen. Krönender Abschluss war der Sternenhimmel.

Mit neuer Kraft starten wir in die neue Woche. Der Schulbesuch steht an. Uns wird die Schulbibliothek zur Verfügung gestellt. Ein Raum mit vielen verschiedenen Lehrbüchern, Kinderbüchern und alten Zeitungen. Liebevoll dekoriert mit gemalten Bildern und einfachen Vokabeln für die Kinder. Nacheinander werden uns die vier Gruppen der 1. Klasse gebracht. Auch hier erkennen wir wieder einen Unterschied zu unseren Gewohnheiten. Die Kinder kommen sehr still in den Raum, es herrscht Disziplin. Fast alle Kinder tragen eine Schuluniform, dicke Jacken und Pullis verdecken aber die schönen Hemden und Blusen. Die Klassenräume haben keine funktionierende Heizung. Viele Kinder tragen Mützen, Handschuhe, Socken und Flip-Flops, andere tragen die abgetragenen Schuhe ihrer älteren Geschwister.

Wir stellen uns den Kindern vor und erklären ihnen, dass wir die Zähne kontrollieren werden. Auf die Frage von Dr. Nangolo und Ann Christin, wer alles eine Zahnbürste hat, melden sich nur wenige Kinder.

Am Ende der Untersuchung, bekommt jedes Kind eine Zahnbürste. Die Kinder singen uns das Zahnputzlied vor “This is the way, I brush my Teeth, brush my Teeth, brush my Teeth”. Ein neuer Ohrwurm ist geboren! Eine Klasse bedankt sich mit stürmischen Umarmungen bei uns. Wir sind überwältigt von dieser Kinderlawine. Dieser Moment wird uns ewig im Herzen bleiben.

Als wir auf die nächste Klasse warten, haben die älteren Kinder gerade Schulpause. Sie bekommen ihr Mittagessen, den Milli Pap. Ein weißer Brei, der optisch stark an Griesbrei erinnert, aber aus Mais besteht. Oft die einzige warme Mahlzeit am Tag für die Kinder. Sie essen ihn nur mit der Hand vom Teller herunter.

Kinder, die behandelt werden müssen, bekommen von uns ein Holzstäbchen mit. Auf dem Stäbchen steht der Behandlungsplan. Dieses sollen sie zu Hause den Eltern zeigen. Wie auch bei uns, müssen die Eltern ihre Einwilligung zur Behandlung geben. Nach der Schule sollen die Kinder zur Klinik kommen.

Pünktlich um 13 Uhr ist die Schule aus, die Kinder eilen nach Hause und berichten von den Zahnärztinnen und ihren Helferinnen, zeigen stolz ihre Zahnbürste.

Einige machen sich sofort auf den Weg zur Klinik, denn die Warteschlange wird immer länger. Unser Nachmittag ist gefüllt mit Kinderbehandlungen. Viele Milchzähne müssen entfernt werden, sie sind leider total zerstört und nicht erhaltungswürdig. Auch sehen wir viele Zahnfehlstellungen, es gibt keine Kieferorthopädische Versorgung für Kinder. Erwachsene könnten sich die Zähne im Ausland richten lassen, aber dies ist für die meisten nur ein ferner Traum. Es ist nicht lebenswichtig.

Als wir mit unserer heutigen Arbeit fertig sind, fahren wir wieder zu unserer Unterkunft. Am Himmel ziehen große dunkle Wolken vorbei, es weht ein böiger, kräftiger Wind. Der Oranje zeigt einen höheren Wasserstand. An der Rezeption wird uns mitgeteilt, dass in Südafrika, Aufgrund starker Regenfälle, einige Dämme geöffnet wurden. Die Wolken türmen sich bedrohlich auf und wir erwarten kräftigen Regen. Zuletzt hat es 2011 in Aussenkehr geregnet, viele Hütten wurden zerstört, da der trockene Boden das Wasser nicht aufnehmen konnte und das Wasser wie ein wilder Fluss durchs Valley zog. Zum Abendessen fallen die ersten Tropfen, dieses werden vom Wind aber sofort wieder weggeblasen. Da wir alle Drei total erledigt sind, begeben wir uns früh zu Bett und schlafen schnell ein. Bald darauf werden wir aber von lautem Windgetöse geweckt. Der Sturm pfeift um unsere Hütten, rüttelt an den Türen und lässt unsere Plane vor den Fenstern tanzen. Wir sind hellwach, es ist halb eins in der Nacht. Wir drei Mädels schreiben per WhatsApp miteinander, erkundigen uns ob alles OK ist. Das hat uns ungemein beruhigt. Unsere Türen haben wir mit Stühlen versehen, da der Wind dagegen drückte und drohte aufzuspringen. Die Gedanken kreisten aber auch ins Aussenkehr-Valley, die Häuschen nur aus Schilf und Blech erbaut. Halten sie den Sturm aus? So plötzlich wie der Sturm begonnen hat, war es halb sechs am Morgen wieder total still, eine leichte Brise weht um unsere Häuschen. Als wir zum Frühstück gehen, sehen wir das alles OK ist, nur viele Blätter und Samen liegen am Boden verstreut. Wir fragen die Mitarbeiter unserer Unterkunft, da alle im Valley leben, wie Aussenkehr die Nacht überstanden hat. Von mehreren Seiten wird uns berichtet das alles OK ist. Alle Hütten hätten den Sturm ohne Schaden überstanden. Ob dies stimmt, konnten wir leider nicht überprüfen, aber beim Vorbeifahren, haben wir nichts auffälliges gesehen.

Die letzten zwei Arbeitstage standen an. Wir verlassen Aussenkehr, verlassen unsere kleine Zahnklinik, die für sieben Tage unser zu Hause war. Die kommenden Tage sind wir in der Klinik von Noordoewer. Den Standortwechsel empfanden wir schon als Reise in ein anderes Universum. Die Häuser waren zum größten Teil aus Zement und Blech gebaut, nur wenige Hüttchen aus Schilf gefertigt. Die Klinik selbst war auch etwas grösser und erinnerte schon eher an ein kleines Medizinzentrum. Aber auch hier ist kein Arzt da. Ein Arzt ist max. 2x im Monat vor Ort. Der Wartebereich befand sich im Inneren der Klinik, keiner musste draußen in der Kälte warten. Auch hier wurden die Patienten vorab gecheckt: Temperatur, Blutdruck und Gewicht wurden notiert.

Unser Behandlungszimmer ist ein großer quadratischer Raum. Aletta, Coerie und Magdalena haben wieder gute Vorarbeit geleistet und das gelieferte Equipment aufgebaut: drei Stühle, zwei Saugmaschinen, die Hygienestation mit Waschbecken und Sterilisator. Alle Instrumente und Materialen haben ihren Platz gefunden. Nun mussten wir uns kurz neu orientieren, da wir ja Gewohnheitstiere sind – obwohl man am ersten Arbeitstag vor zwei Wochen seine gesamten Gewohnheiten aus Deutschland abstellen musste. Das Reinigen und Sterilisieren der Instrumente hat einen ganz anderen Standard. Absolut Oldschool, aber ausreichend. In Noordoewer hatten wir nicht so viele Patienten wie in Aussenkehr und wir hatten ein wenig Zeit, uns die Klinik anzusehen. Eine sehr freundliche Dame hat uns ein wenig herumgeführt und uns ein wenig erzählt:

Z.B. verlassen die Mütter mit ihren neugeborenen Babys bereits nach acht Stunden die Klinik! Acht Stunden nach der Geburt. Wieder unvorstellbar für uns. Nach einer Woche sollen sie aber zur Kontrolle kommen. Auch liege die HIV-Verbreitung bei ca. 80%. Das Ergebnis variiere aber. Zur Traubensaison wachse die Bevölkerung um 2/3, dann lebten über 30.000 Menschen in der Region Aussenkehr-Noordoewer. Aus ganz Namibia zögen Menschen in den Süden Namibias, um Geld zu verdienen. Ebenfalls berichtet sie uns, dass auch Aussenkehr eine größere Klinik bekommen soll. Ein fester Zahnarzt soll ebenfalls dort arbeiten können. An der Baustelle gehe es nur langsam voran. Wir erinnern uns, dass wir einen großen Rohbau gesehen haben. Hoffentlich werden die Gebäude bald fertig gestellt.

Die letzten Arbeitsstunden verbringen wir damit, die Materialkisten zu reinigen und zu sortieren. Die mobilen Einheiten und die Saugmaschinen müssen perfekt gereinigt, getrocknet und eingelagert werden. Notizen werden gemacht, für kommende Einsatzteams. Mit wehmütigen Herzen vollbringen wir die Arbeit, lassen die letzten zwei Wochen nochmal Revue passieren. Meine Stirnlampe, die mir bei meinen drei Einsätzen gute Dienste geleistet hat, überreiche ich an den Zahnarzt Jonas, nun wird er immer gute Sicht in den Patientenmund haben. Unser Team, mit allen Helferinnen und Ärzten ist so unglaublich zusammen gewachsen, wir werden alle einander vermissen.

Oft wurde ich von Ann Christin und Gabi gefragt, wie kann man danach normal weiter arbeiten?  Ich kann darauf nur antworten, ja es geht, aber man ist verändert. Mit jedem geleisteten Einsatz bleibt ein Stück Herz in Namibia zurück und man verspricht, ich komme wieder, ich werde wieder helfen. Denn Hilfe wird immer benötigt. Es wird noch lange Zeit nötig sein, dass DWLF das Land unterstützen muss.

An dieser Stelle bedanke ich mich bei all meinen Unterstützern für ihre Hilfe. Praxis Dr. Bleisteiner, das ich so unproblematisch frei bekommen habe und mit Handschuhen und Desinfektionsmittel ausgestattet wurde. Hr. Sedlmair, Firma Kanidenta, für die Spende an Desinfektionsmittel, Bonding und Kunststoffen. Herzlichsten Dank an Fr. S. für die finanzielle Unterstützung bei den  Flugkosten. Bei meiner Familie, dass sie mich bei jedem Einsatz unterstützt. An die Firma TePe für die großzügige Spende an Zahnbürsten. Und zuletzt bei Dr. Stefan Rohr, als mein ehemaliger Arbeitgeber, bin ich seit vielen Jahren mit DWLF vertraut. Danke für die Erfahrung Namibia.

 

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